210 Die Gesterreichis-Augarische Monarchie. (Mai 10.)
geld. Er erwarte von dem Hause, daß es der Notwendigkeit seinen Tribut
leiste. (Stürmischer Beifall links.) (9. Mai.)
Nachdem am 10. Mai noch Min.-Präs. Dr. Wekerle die Vorlage
verteidigt hatte, wird sie mit 139 gegen 118 Stimmen abgelehnt.
10. Mai. (Pest.) Die Ablehnung der kirchenpolitischen Vor-
lage ruft Straßendemonstrationen gegen das Oberhaus und Kund-
gebungen für das Ministerium hervor.
Der offiziöse „Nemzet“ erklärt, die Abstimmung des Magnatenhauses
habe weder auf die äußere Stellung des Kabinets noch auf dessen innere
Tolitir Einfluß; es entstünden ihm dadurch allein neue Pflichten und
Arbeiten.
Die Presse bringt heftige Artikel gegen Hofkreise und den Minister
des Aeußern Kaälnoky, die die Opposition in ihrem Widerstande ermutigt
hätten. In der That haben mehrere Hofwürdenträger gegen die Vorlage
gestimmt.
7.—25. Mai. (Klausenburg.) Memorandumprozeß.
Im Juni 1892 hatte eine Deputation von dreihundert Rumänen
aus Siebenbürgen und Ungarn dem Kaiser und König Franz Josef nach
Wien ein Memorandum über die gefährliche politische Lage in den Ländern
der hl. Stephanskrone und über die Unterdrückung der Rumänen überreicht.
Infolge der großen Aufregung der ungarischen öffentlichen Meinung em-
pfing sie der Kaiser nicht. In Ungarn wurde es als Hochverrat und Ver-
letzung des Ausgleichs von 1867 bezeichnet, daß sich die Rumänen an den
Kaiser in Wien anstatt an den König in Pest wandten. Bald darauf wurden
25 Mitglieder der Deputation wegen Aufreizung gegen die bestehende Staats-
gewalt angeklagt.
Der Gerichtshof verlangt, die Verteidiger sollen ungarisch sprechen;
die Angeklagten verzichten auf Verteidigung und verweigern die Beant-
wortung der Fragen des Gerichtshofs. Der Staatsanwalt verlangt Ver-
urteilung wegen einer gegen die Union Ungarns und Siebenbürgens ge-
richteten Druckschrift. Die Angeklagten erklären die Verantwortung für das
Memorandum solidarisch zu übernehmen und die magyarischen Geschworenen
als kompetente Richter nicht anerkennen zu können. 22 Angeklagte werden
wegen Aufreizung zu Gefängnisstrafen von 8 Monaten bis zu 5 Jahren
und in die Kosten verurteilt. (25. Mai.)
Mai. (Mähren und Schlesien.) Ausstand der Berg-
arbeiter.
Sie fordern die Achtstundenschicht und Lohnerhöhung. Es kommt
wiederholt zu Ausschreitungen, da die Streikenden die Weiterarbeitenden,
aufgereizt von sozialistischen und tschechischen Agitatoren, zum Ausstand
zwingen wollen. Bei einem Versuche, die Gruben des Grafen Wilczek zu
stürmen, greifen sie die Gensdarmen an, die Feuer geben. 9 von den Tumul-
tuanten fallen, über 20 werden verwundet.
10. Mai. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Interpellation über
den Ausstand in Mähren.
Min. Bacquehem erklärt auf eine Anfrage, die Gensdarmen hätten
in der Notwehr gehandelt. Ein Antrag Pernerstorfer (Dt.Nat.), eine
Untersuchungskommission von 20 Abgeordneten an Ort und Stelle zu senden,
wird abgelehnt.
Das Haus kommt wiederholt auf die Vorgänge zurück.