Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

Vie Gekerreiczisch-Augerische Menarchie. (September 17.) 227 
Monarchie für sie hat, und welcher von seiten der Regierung stets zum 
Ausdruck gebracht wird, nur der ist, daß das Land auf dem Wege 
der friedlichen und selbständigen Entwicklung, den es eingeschlagen, fort- 
schreitet, sich kräftigt und möglichst prosperiert als Gewähr der Ordnung 
und Ruhe auf dem Balkan. Ein anderes Nachbarland, über welches der 
Herr Delegierte Dumba wünscht, daß ich einige Worte sage, ist Rumänien. 
Rumänien war von den außerhalb des Dreibundes stehenden Ländern eines 
der ersten, welches dessen wirklich friedliche Ziele anerkannt und sich ent- 
schlossen hat, sich zu demselben zu bekennen und eine Anlehnung an die 
europäischen Zentralmächte zu suchen. Die sehr freundlichen Beziehungen, 
die wir dementsprechend seit Jahren unterhalten, haben sich als haltbar 
bewährt und der Impuls, den der König und die Regierung in dieser Be- 
ziehung gegeben haben, hat im Lande wachsenden Anklang gefunden. Diese 
guten Beziehungen zu Rumänien und dessen Regierung berechtigen uns, 
die Ueberzeugung auszusprechen, daß sie agitatorische Strömungen, die in 
ihren Auswüchsen und in ihren Wirkungen gegen die Ruhe und Ordnung 
im Nachbarlande gerichtet sind, in den nötigen Grenzen werde zu halten 
wissen und dasjenige vorkehren werde, was thunlich ist, um ihren freund- 
nachbarlichen Pflichten gerecht zu bleiben. Ich bin überzeugt, daß gerade 
das freundschaftliche Verhältnis zu den Regierungen über etwaige Schwierig- 
keiten hinüberhelfen werde, und wir jede Trübung nach dieser Richtung hin 
vermeiden können. 
Auch mit Rumänien haben wir in handelspolitischer Beziehung einen 
Zustand geschaffen, der zwar nicht dem entspricht, was wir gewünscht hätten, 
nämlich einem Tarifvertrag, aber immerhin eine Regelung unserer Verhält- 
nisse in sich schließt und eine Gewähr dafür bietet, daß auf diesem Gebiet 
bessere Verhältnisse als in den letzten Jahren eintreten werden. Ich glaube, 
daß dies für alle nur sehr erwünscht sein kann. Da ich von den Handels- 
verträgen spreche, möchte ich eine Anfrage des Herrn Delegierten Dr. Pacak 
beantworten, welcher es als auffällig bezeichnet, daß, obwohl unsere Ver- 
handlungen mit Rußland zuerst begonnen haben, der deutsche Vertrag doch 
früher zum Abschluß gelangte, und wir uns, wie der Herr Delegierte meinte, 
von Deutschland überflügeln ließen. Ich fürchte, der Herr Delegierte wollte 
hiermit insinuieren, daß wir entweder von Deutschland übervorteilt wurden, 
oder daß wir in einer Art Konvenienz mit Deutschland diesem den Vor- 
tritt gestattet hätten und zwar zu unserem Nachteil. Ich glaube, der Herr 
Delegierte hat diese Frage nicht genug überdacht oder sich über die Ver- 
hältnisse nicht hinreichend informiert. Bekanntlich hat Deutschland sehr 
schwierige und langwierige Verhandlungen mit Rußland zu führen gehabt 
und schließlich einen sehr umfassenden und detaillierten Vertrag abgeschlossen, 
welcher nicht bloß ein Tarifvertrag war, sondern in welchem auch ein- 
schlägige Verkehrsverhältnisse u. s. w. geregelt wurden. Unser Vertrag mit 
Rußland ist ein sehr einfacher. Wir konnten Rußland sehr wenig bieten, 
indem die Einfuhr der Rohprodukte hei uns ohnedies meist zollfrei ist, 
unsererseits also auf dieser Basis keine Konzessionen zu machen waren. 
Unser Vertrag ist, um ihn kurz zu charakterisieren, ein Meistbegünstigungs- 
vertrag mit Bindung der Getreidezölle. Bei einem solchen Vertrag aber 
kommt es wesentlich darauf an, welche Vorteile anderen Mächten geboten 
werden. Wir konnten also den Wert der Meistbegünstigung nicht beur- 
teilen, bevor wir nicht wußten, wie der Vertrag Rußlands mit Deutschland 
ausfallen würde, da wir ja die diesem gewährten Vorteile auch mitgenießen 
sollten, und deshalb war es in unserem Interesse, sobald einmal die Ver- 
handlungen mit Deutschland ernstlich in Fluß gerieten, den Ausgang der 
Beratungen abzuwarten, um beurteilen zu können, welcher Vorteile wir 
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