Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

284 Die Rämishe Kurie. (August 18. — Dezember 6.) 
Despotismus die Italiener und Franzosen abschütteln sollten, damit die 
Glaubenseinheit die Uebel und die Kriege beschwöre, welches aus der Lage 
Europas erwüchsen. Sie empfiehlt ferner eine Behandlung der sozialen 
Frage gemäß dem Evangelium und fordert in politischer Hinsicht die Völker 
auf zur Uebereinstimmung mit den herrschenden Gewalten, gleichviel um 
welche Staatsform es sich handle. Der Papst ersucht die Regierungen, auch 
ihrerseits die religiöse Einigkeit mit allen Kräften zu unterstützen, damit 
nicht das Ende dieses Jahrhunderts dem stürmischen Ende des vorigen 
gleiche. („Allg. Ztg.“) 
(Den deutschen und lateinischen Text s. „Staatsarchiv“ Bd. 57. Vgl. 
dazu Harnack, preußische Jahrbücher Bd. 77, S. 321.) 
13. August. Enzyklika an die Bischöfe Brafiliens. 
Der Papst fordert von der Geistlichkeit Heiligkeit und Sittenreinheit. 
Sie solle sich mit dem Unterricht der Kinder beschäftigen und Wohlthätig- 
keitseinrichtungen gründen. 
7. September. Der Papst ernennt den Pater Michael di Car- 
bonare zum Leiter der apostolischen Präfektur in Erythräa. (Agl. 
Italien 21. Nov.) 
24. Oktober—28. November. (Rom.) Konuferenzen zur Ver- 
einigung der orientalisch-unierten Kirche mit der römischen unter 
Vorsitz des Papstes. 
Es nehmen teil eine Anzahl Kardinäle, der syrische und melchitische 
Patriarch, und ein Vertreter des Maronitischen, dem armenischen hat die 
Pforte die Beteiligung untersagt. 
6. Dezember. Konstitution für die orientalische Kirche. 
Sie sanktioniert die Konferenzbeschlüsse über die unierten Kirchen. 
Zunächst gedenkt sie der ruhmreichen und opferreichen Geschichte der Kirche 
im Orient und der Beweise von Liebe und Ehre, welche ihr von seiten der 
römischen Kirche zu teil geworden seien, seitdem Petrus den Bischofsstuhl 
in der weltbeherrschenden Stadt bestiegen hatte. Die Konstitution erwähnt 
sodann die Kollegien, welche die Päpste im Orient begründeten und welche 
Papst Leo XlIII. zu gunsten der Angehörigen der katholisch-orientalischen 
Kirche weiter zu entwickeln beabsichtige. Ferner wird die Notwendigkeit 
betont, die Lehren der orientalischen Kirche unverändert aufrecht zu erhalten, 
weil dieselbe in ihrer Machtfülle ein glänzender Ausdruck der Einheit der 
Dogmen der katholischen Kirche sei. Nachdem die Konstitution die vom 
Papst Benedikt XIV. erlassenen Bestimmungen zu Gunsten der Aufrecht- 
erhaltung des Ritus der orientalischen Kirchen angeführt hat, werden 13 
Punkte derselben erläuternd bestätigt. Sie besagen im wesentlichen: Jeder 
lateinische Missionar, welcher Angehörige einer orientalischen Kirche verleiten 
würde, zum lateinischen Ritus überzutreten, soll ipso facto der Suspension 
und dem Verlust seines Amtes verfallen. An allen Oertlichkeiten des Orients, 
wo den Gläubigen des einen Ritus ein eigener Priester fehlt, können sie die 
Eucharistie nach dem anderen Ritus empfangen, ohne dem Vorwurfe zu ver- 
fallen, den eigenen Ritus verlassen zu haben. Die im Orient zur Leitung 
der Kirchenkollegien begründeten religiösen Orden werden Sorge tragen, 
daß die der orientalischen Kirche angehörenden Zöglinge nach ihrem be- 
züglichen Ritus unterwiesen werden. Ohne päpstliche Ermächtigung darf 
kein weiteres Kolleg von lateinischen religiösen Orden im Orient gegründet
	        
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