Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.)) 23
wurde uns großmütig gesagt: ja den Kunstwein mag die Regierung so hoch
besteuern, wie sie nur will. Wir wären dazu sehr gern einverstanden, wenn
wir nur wüßten, wo diese schwarze Kunst der Fabrikation von Kunstwein
geübt wird. Bei den Erhebungen, die wir angestellt haben über die Fabri-
kation von Kunstwein, haben wir eigentlich festgestellt, daß unendlich wenig
Kunstwein fabriziert wird. Wenn so wenig Kunstwein thatsächlich fabri-
ziert würde, dann könnte wirklich der deutsche Trinker seinen Wein schlürfen
in dem glücklichen Gefühl, es gibt ja gar keinen Kunstwein. Es hat sich
in der ganzen Agitation nirgends die Kunstweinfabrikation gemeldet; bei
den ganzen Verhandlungen im Publikum über dieses Gesetz habe ich nicht
feststellen können: wo haben sich nun eigentlich die Herren Kunstweinfabri-
kanten versammelt? (Heiterkeit.) Ich glaube also, meine Herren, einerseits
die Besteuerung des Schaumweins allein, und andererseits die Besteuerung
des Kunstweins würde doch ein sehr geringes finanzielles Resultat liefern,
eine mit fürstlicher Großmut hingeworfene Börse mit magerem Inhalt!
Lediglich die Besteuerung des Schaumweins würde, auch gegenüber der Frei-
lassung des übrigen Weins von der Steuer, durchaus ungerecht sein. Wenn
schließlich gesagt ist, meine Herren, daß durch diese Steuer auch ein Konsum-
rückgang eintreten könnte, so muß ich sagen: ich vermag diese Befürchtung
nicht zu hegen. Bei uns ist der Konsum an Wein gegenüber anderen Län-
dern — ich will nur eins sagen: in Italien fallen auf den Kopf 95 Liter,
in Spanien 115 Liter, bei uns nur 6 Liter — nur ein geringer; mit Rück-
sicht ferner auf die geringe Steuer — jetzt ruht ja auf dem Wein nur eine
Reichsabgabe von 57 pCt. Zoll pro 100 Liter —, wird sie sich auch in Zu-
kunft schließlich in der einzelnen Flasche auf einen minimalen Betrag redu-
zieren, ich kann hiernach nicht annehmen, daß ein Konsumrückgang wegen
dieser Steuer eintreten wird. Es ist von der Agitation so dargestellt, als
wäre man in Deutschland — und wenn es sich darum handelt, Front gegen
eine Steuer zu machen, wird ja immer vollkommene Einigkeit behauptet — in
der Opposition gegenüber dem Weinsteuerprojekt nicht nur in den Kreisen
der Interessenten, sondern auch in den Kreisen des Publikums vollkommen
einig. Ich möchte demgegenüber doch die Aeußerung einer Stimme hier
verlesen, von der Sie mir zugestehen werden, daß sie ein gewisses Gewicht
hat, wiederum die Stimme des bayerischen Landtagsabgeordneten Dr. Dein-
hardt-Deidesheim auf der großen Interessentenversammlung in Mainz:
Meine Herren, wir Fachleute sehen in der Steuer, wenn wir ihre Folgen
als Händler oder als Weinbauern betrachten, ebens einstimmig einen
Fehler, als die große Mehrzahl der Konsumenten bis jetzt die Steuer gern
begrüßt. Machen wir uns darüber keinerlei Illussionen. Ich habe noch
selten ein Steuerprojekt gesehen, das von der Majorität so freudig aufge-
nommen worden ist, als dieses Weinsteuerprojekt. (Heiterkeit.) Von an-
derer Seite ist uns gesagt worden, dieses Weinsteuerprojekt würde ja noch
einen schlechteren Empfang haben als das Tabaksfabrikatsteuerprojekt. Meine
Herren, ein schlechter Empfang ist meines Erachtens immer eine sehr üble
Sache; aber manchmal ist ein schlechter Empfang für den Empfänger un-
angenehmer als für den Empfangenen, und ich möchte wünschen und hoffen,
daß die Majorität des hohen Reichstags der Majorität der Konsumenten,
deren Stimme in dem eben verlessenen Passus festgelegt ist, beistimmt und
diese Weinsteuer ebenfalls mit Freude begrüßt. (Heiterkeit.)
Abgg. Schmidt (frs. Vg.), Bürklin (nul.), Laubach (3.), Dietz
Soz.) gegen, v. d. Gröben (Dk.) für die Vorlage.
18. Januar. (Herrenhaus.) Interpellation v. Manteuffel
und Gen.: „Anknüpfend an die Allerhöchste Thronredep, welche die