Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 22.) 31
sehr unsicher. Weiter habe man im Reichstag gesagt, man wolle durch
eine ergiebige Erhöhung des Tabakzolls helfen. Aber seither trage dieser
Zoll nur 3 1/2 Millionen; daß man aus importierten Zigarren zwei Mil-
lionen mehr herausbringe, werde schwer halten. Aber Alles dies ge-
rechnet, habe man 27 Millionen. Die persönlichen Erfahrungen, die er
in Berlin gemacht habe, seien höchst betrübender Natur, er sei aber gleich-
wohl der festen Ueberzeugung, daß die allgemeine Meinung noch zu Gunsten
der Tabakfabrikatsteuer umschlagen werde; er, der Finanzminister, habe in
der letzten Zeit von einem Privaten in der Pfalz einen Brief erhalten, in
welchem gesagt sei, die Tabakbauern würden noch auf den Knieen um das
gegenwärtige Tabaksteuergesetz bitten. Nicht unmöglich sei es, daß der
Zoll auf Tabakfabrikate noch eine kleine Erhöhung erfahre, und daß ge-
wisse Steuer und Zollkontrollmaßregeln, welche an dem Tabaksteuergesetz-
entwurf besonders beanstandet worden seien, weggelassen werden, auch an
der Besteuerung des Rauchtabaks könne noch zu Gunsten der Pfeife des
kleinen Mannes etwas nachgelassen werden, kurz und gut, es ließen sich
noch eine Reihe von Verbesserungen anbringen, so daß der Tabakbau ganz
günstig gestellt sein würde. Wenn die Tabaksteuer angenommen werde,
würden wir zwar keinen Haufen Geld kriegen, aber doch so viel, daß der
Abschluß des bayerischen Budgets keine Schwierigkeiten mehr bieten würde
und Bayern auch fernerhin seine Kulturaufgaben, wie seither, ohne allzu
große Opfer erfüllen könnte. Der Bedarf für die Militärvorlage sei
66 Millionen, daneben seien aber drei Posten, die fortgesetzt steigen; wenn
der Reichstag keinen Knopf mehr für Militärzwecke weiter zu bewilligen
hätte, so müßten doch die noch immer wachsenden Ausgaben für Pensionen,
für die Invalidenunterstützung und für die Verzinsung der Reichsschuld
fortdauernd aufgebracht werden. Selbst wenn die Reichseinnahmen in der
vorausgesetzten Weise wachsen, so wären doch 66 oder wenigstens 64 Mil-
lionen an Steuern aufzubringen. Wenn 27 Millionen an Reichssteuern
gesichert wären, blieben für uns weitere 4 Millionen an Matrikularbeiträgen
zu beschaffen; wenn aber die Tabakfabrikatsteuer angenommen würde, dann
würden 36—38 Millionen an Reichssteuern und damit auch das Gleich-
gewicht im bayerischen Budget gesichert; wäre das aber nicht der Fall,
dann ständen wir vor einem Vakuum, das auf 4 Millionen zu berechnen
sei. Im Jahre 1879 sei die Steuer auf den Tabak um das 7½ fache und
der Zoll um das 3 fache erhöht worden, gleichwohl habe das Publikum
nicht den billigeren Pfeifentabak angenommen, sondern habe sich den teureren
Zigarren zugewendet; während früher der Arbeiter auf der Straße und
bei der Arbeit die Pfeife hatte, habe er jetzt eine Zigarre im Munde und
ähnlich gehe es durch alle anderen Schichten der Bevölkerung. Dieses
psychische Moment der Macht der Sitte und Gewöhnung ändere die ganze
Auffassung von dem Konsumrückgang, der Arbeiterentlassung u. s. w. Wenn
das Tabaksteuergesetz falle und demnach die 40 Millionen nicht beschafft
werden, bleibe die alte Steuer auf den Tabakbau und dieser werde immer
mehr zurückgehen. Aber wer bezahle den Ausfall? Es sei gar kein Zweifel,
daß hiefür die direkten Steuern recht ergiebig erhöht werden müßten.
Wenn man sage, es sollten nur die reichen Leute recht bezahlen, so sei zu
erwidern, daß wir nur sehr wenig reiche Leute haben, und er, der Minister,
getraue sich nicht, weitere 6 Millionen von den sogenannten reichen Leuten
herauszubringen. Zu diesen 6 Millionen Defizit kämen noch weitere 2 bis
3 Millionen für neue Erfordernisse, wie sie der Wirtschaftsausschuß des
Landtags aufgestellt habe. Die zweite Frage sei, wie das Budget zu be-
gleichen und ob es nötig sei, jetzt auf Tod und Leben alles abzustreichen.
Er, der Minister, gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Tabaksteuer noch