Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 29.—31.) 35
Erfolg für uns ein guter gewesen ist. Meine Herren, ich wiederhole, die
verbündeten Regierungen gehen von der Ansicht aus, daß eine feste Rege-
lung der Finanzen zwischen Reich und Einzelstaaten eine politische und
finanzielle Notwendigkeit ist und daß mit dieser Vorlage, durch welche das
Reich auf seine eigenen Einnahmen angewiesen werden soll derart, daß die
Finanzen des Reiches keinen Rückschlag mehr, keine Schwankungen mehr
auf die Finanzen der Einzelstaaten ausüben, dem Gedanken der Reichsver-
fassung Rechnung getragen ist, inhalts deren die Matrikularbeiträge nur
ein Notbehelf sein sollen, bis das Reich von seinen eigenen Einnahmen
leben kann. Es haben sich in der Oeffentlichkeit und auch wohl in diesem
Hause gegenüber der Vorlage der Regierungen drei Gruppen gebildet. Zu-
nächst die Gruppe derjenigen, die das Gesetz pure ablehnen wollen aus der
Begründung, daß, wenn man selbst zu einer Reform der Finanzen käme,
man diese Reform nicht durch Erhöhung der indirekten Steuern durchführen
könne, sondern nur mit Hilfe einer Reichs-Einkommensteuer. Mit dieser
Begründung brauche ich, glaube ich, mich nicht weiter zu beschäftigen, weil
das Problem der Reichs-Einkommensteuer als ein unlösbares erscheint. Die
zweite Gruppe ist die Gruppe derjenigen, die die sachliche Berechtigung und
Notwendigkeit der Reichsfinanzreform pure anerkennen und besonders auch
bei den Debatten im preußischen Abgeordnetenhause ihr Zeugnis hierfür
abgelegt haben, die aber die Reichsfinanzreform im gegenwärtigen Augen-
blick als eine Art pluspetitio temporis betrachten: als eine Forderung, die
zu früh gestellt ist, weil der gegenwärtige Augenblick aus wirtschaftlichen
Gründen kein geeigneter ist. Ueber diese Frage werden wir uns im Laufe
der Debatte und namentlich inmitten der Kommission, in welcher die Fi-
nanzlage des Reiches und der Einzelstaaten eingehend besprochen werden
wird, des näheren unterhalten. Eine dritte Gruppe sind diejenigen, die
offen einer Finanzreform freundlich gegenüberstehen und die teils pure für
die als Korrelat derselben dienenden Einzelsteuern sind, teils diese nur
wünschen mit entsprechenden Modifikationen oder Gegenvorschläge gemacht
haben. Mit den Gegenvorschlägen dieser Herren möchte ich mich einen
Augenblick näher beschäftigen. Es sind uns im Laufe der Debatte und
auch in der Presse eine große Anzahl Steuervorschläge entgegengetreten, die
ziemlich dahin lauten: ja, wir wollen dem Reiche neue Reichsmittel be-
willigen, aber nur nicht gerade auf dem Wege, den die verbündeten Re-
gierungen vorschlagen. Eine ziemlich große Majorität besteht dafür, die
Börsensteuer wesentlich zu erhöhen, wesentlich erhöhte Einnahmen aus der
Börsensteuer herauszuschlagen. Auch die verbündeten Regierungen stehen
auf dem Standpunkte, daß die Börse mehr bringen kann, wie gegenwärtig.
Aber wir machen den Vorbehalt, daß wir auch mit der Börse, die ein
wirtschaftlich notwendiges Institut ist, nicht verfahren dürfen wie jener,
der den Baum umschlägt, um die Früchte zu pflücken. Die Bedeutung der
Börse, namentlich der Berliner Börse, liegt zum Teil auch darin, daß der-
selben in erheblichem Umfange fremde Kapitalien anvertraut sind. Würde
man aber die Umsatzsteuern an der Börse, um noch höhere Erträge heraus-
zuschlagen, noch weiter, wie die verbündeten Regierungen vorgeschlagen
haben, und zwar derart erhöhen, daß die fremden Kapitalien, die an der
Berliner Börse und an einer Anzahl anderer deutscher Börsen arbeiten,
das Geschäft hier nicht mehr lohnend finden: so würde die natürliche Kon-
sequenz sein, daß die Anforderungen an die Bestände der Reichsbank stärker
werden, daß die Reichsbank voraussichtlich ihren Diskont erhöhen würde,
und daß eine derartige ins Ungemessene gesteigerte Besteuerung der Börse
in ihren Folgen auch ungünstig zurückwirken würde auf Handel, Industrie
und Landwirtschaft. Also die Beträge, die man aus der Börse durch eine
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