Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 23.) 71 
ist, 3. die wesentlichen Vermehrungen der Rekruteneinstellungen, die Ver- 
mehrungen in den Uebungen des Beurlaubtenstandes und der Ersatzreserve, 
die allerdings jetzt in Fortfall gekommen sind. Es ist 4. dazu zu zählen 
die Vermehrung derjenigen inaktiven Offiziere, die jetzt im Rahmen der 
aktiven Armee Verwendung finden. Es sind das die Offiziere, die keinen 
Gehalt, sondern nur Pension beziehen und deren Zahl in den letzten Jahren 
fast um das Doppelte vermehrt worden ist. Es sind in den letzten Jahren 
252 Bezirksoffiziere, 48 Offiziere bei den Bekleidungsämtern, 25 Offiziere 
in Regimentern und Stabsoffizierstellen bei den Bezirkskommandos, 5 Kom- 
mandanten für die größeren Truppenübungsplätze, eine Anzahl Offiziere 
im Kriegsministerium und bei anderen Formationen. Meine Herren, trotz 
dieser Verabschiedungen hat thatsächlich eine Steigerung in den Ausgaben 
des Pensionsfonds doch nicht in höherem Maße stattgefunden, als sie statt- 
fand in der Zeit vom Jahre 1884 bis zum Jahre 1889. Sie betrug bei 
den Offizieren 35 pCt., bei der Mannschaft in derselben Zeit 32 pCt., bei 
den Beamten 73 pCt. Ich werde darauf später zurückkommen, weshalb 
diese prozentuale Steigerung bei den Beamten eine so große gewesen ist. 
Man kann also deshalb meines Erachtens jetzt nicht von einer erheblichen 
Zunahme der Offizierpensionen sprechen, wenn die Steigerung ganz stetig 
von 1889 bis 1893 in demselben Verhältnisse, nämlich in dem von 35 pét. 
stattgefunden hat. Bei der Mannschaft hat diese Steigerung von 1889 bis 
1893 um 41 pCt. stattgefunden und bei den Beamten allerdings nur um 
34 pCt. Der Unterschied von 73 in der ersten Periode und 34 in der 
jetzigen Periode könnte sehr auffällig sein, er ist es aber insofern nicht, als 
da ein sehr natürlicher Grund vorlag. Anfangs der 80er Jahre wurde ge- 
plant, das bekannte 1/80 auf 1/60 zu erhöhen. Die Beamten, die davon 
Kenntnis hatten, befanden sich also in der Lage, zunächst zu warten, bis 
dieses 1/60 gesetzlich wurde. In folge dessen hat in der Zeit, die dem Jahre 
1884 vorauslag, und in der Zeit von 1884 bis 1889 ein großes Ansam- 
meln von Beamten stattgefunden, die alle auf den Moment warteten. Nach- 
dem nun das Gesetz — ich glaube im Jahre 1887 — zur Verabschiedung 
gekommen war, trat eine sehr große Anzahl von Verabschiedungen bei den 
Beamten ein. Es ist also eine Steigerung eingetreten nur bei der Mann- 
schaft; die Vermehrung ist die gleiche geblieben bei den Offizieren und ist 
allerdings etwas reduziert bei den Beamten aus den Gründen, die ich vor- 
hin hier anführte. Die Zahl der Pensionierungen ist in den letzten Jahren 
in den Chargen ziemlich gleich geblieben, und ich kann auch nicht behaupten, 
daß die Armee durch diese Pensionierungen, wie der Herr Abg. Bebel meinte, 
einer gewaltsamen Verjüngung entgegengeführt ist. Das ist nicht der Fall. 
Die Armee ist nicht älter und nicht jünger geworden. Ich kann Ihnen 
hier einige Zahlen mitteilen, aus denen Sie wohl ersehen werden, daß das 
vollständig der Wahrheit entspricht. Ich will beispielsweise das Alter der 
kommandierenden Generale anführen. Die kommandierenden Generale haben 
augenblicklich ein Durchschnittsalter von 61 Jahren. Ich werde in der Auf- 
zählung jahrweise rückwärts gehen: 61, 61, 60 8/12,  60 8/12, 60 11/12, 61, im 
Jahre 1888 65, im Jahre 1884 betrug das Durchschnittsalter 63 Jahre. 
Ich zähle meinem Range nach zu den kommandierenden Generalen, aber ich 
habe nicht den Eindruck, daß ich zu jung bin. (Heiterkeit.) Ich glaube, 
wenn ich 15 Jahre jünger wäre, würde ich mehr leisten können. Im 
Frieden vergißt man so leicht die Erinnerung an den Krieg, aber zwischen 
den Leistungen im Kriege und denen im Frieden ist ein Vergleich nicht gut 
angängig. Im Kriege muß ein General die ganze Nacht aufbleiben, die 
Meldungen, die Befehle u. s. w. entgegennehmen. Das vergessen die Herren 
alle, daß wir im Kriege Anforderungen an den Körper und die geistige
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.