Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 22.) 53 
auch Bedenken gegen die Kontrollmaßregeln hat und ein Rückgehen des 
Konsums und damit eine Schädigung der kleinen Fabrikanten befürchtet. 
Auch Fabrikanten hätten geäußert, daß der Tabak die 30 Millionen tragen 
könne. Abg. v. Hammerstein (Dkons.) will anstatt der Tabaksteuer lieber 
eine Biersteuer einführen. Abg. v. Elm (Soz): Die Vorlage strebe zum 
Monopol und schädige die ohnehin gedrückte Lage der Tabakarbeiter noch 
mehr, von denen mindestens 35000 entlassen werden müßten. 
Der Gesetzentwurf wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, 
freisinnigen Volkspartei und Antisemiten an eine Kommission von 28 Mit- 
gliedern verwiesen. 
Statistisches über Tabaksbau und Tabakshandel. 
Während der zehn Jahre 1884 bis 1893 sind durchschnittlich jedes 
Jahr 18593 Hektar in Deutschland mit Tabak bebaut worden, und von 
diesem Durchschnitt kommen 34 Prozent auf die Pfalz, 22 Prozent auf das 
badische Oberland, 16 Prozent auf die Uckermark und Odermündung, 10 
Prozent auf Elsaß-Lothringen und 3 Prozent auf die Gegend von Fürth 
und Nürnberg. Geerntet wurden im Jahre 1893 32082 To. (zu 1000 
Kilogr.) oder 2,11 To. auf 1 Hektar gegen 1,99 To. im Durchschnitt der 
Jahre 1884/95; trotz der großen Trockenheit während des Frühjahrs und 
der ersten Sommerhälfte hat sich der Menge nach 1893 im Allgemeinen 
eine gute Mittelernte ergeben, während die Beschaffenheit des geernteten 
Tabaks fast überall vollständig befriedigte. Dieser ist daher bei reger Nach- 
frage von den Pflanzern in der Regel leicht und zu annehmbaren Preisen 
abgesetzt worden. Der mittlere Preis für 100 Kilogr. der 1893 geernteten 
trockenen Tabaksblätter ist einschließlich der Steuer zu 82,3 M festgestellt 
gegen 77 M für den 10jährigen Durchschnitt. Nach Abzug der Steuer er- 
gibt sich danach für die Tabaksernte des Jahres 1893 ein Geldertrag 
von nahezu 15 Millionen oder von 985 M auf 1 Hektar der mit 
Tabak bepflanzten Fläche gegen 823 4M im 10jährigen Durchschnitt. Die 
Einfuhr von unbearbeiteten Tabaksblättern ist in den letzten 10 Jahren 
fast ununterbrochen gestiegen und betrug 1893/94 47688 Tonnen. An 
Zigarren und Zigaretten sind in diesem Jahre aus dem Auslande ein- 
geführt worden 482 To., dagegen nach dem Auslande ausgeführt 362 To. 
Für die Gesamteinfuhr von Tabak und Tabaksfabrikaten im Jahre 1893/94 
ist ein Wert von 89,8 Mill. Mark, für die Ausfuhr von 4,3 Mill. Mark 
berechnet worden; von den neun Vorjahren weist keines einen so niedrigen 
Wert der Ausfuhr, und nur eines (1890/91) einen höheren Wert der Ein- 
fuhr auf. Als Ertrag der Abgaben von Tabak ergeben sich für das deutsche 
Zollgebiet im ganzen 56 Mill. Mark oder 1,09 J auf den Kopf der Be- 
völkerung. 
22. Februar. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Kultusetat. 
Paritätsdebatte (vgl. 28, 55 u. 1894). Statistik über den Besuch 
der höheren Schulen. 
Abg. Dauzenberg (3.) klagt über mangelhafte Parität. In über- 
wiegend katholischen Gegenden müßten überwiegend katholische Beamte an- 
gestellt werden. Der Friede zwischen den Konfessionen sei noch nicht er- 
reicht; was die Katholiken erlangt hätten, sei nach den Worten des Papstes 
nur ein aditus ad pacem, nicht der Friede selbst. Kultusminister Dr. 
Bosse: Der konfessionelle Friede werde durch Anführung so vieler kleiner 
Beschwerden nicht gefördert. Die Zahl der katholischen Räte zu vermehren 
sei kein Anlaß; in den höchsten Beamtenstellen säßen seit dem letzten Jahre 
mehrere Katholiken und auch in den Provinzialbehörden werde das Ver-
	        
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