Das Deutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 14.— 16.) 149
14./15. Dezember. (Reichstag.) Dritte Beratung der Justiz-
novelle. Scheitern der Vorlage.
Abg. Spahn (83.) empfiehlt der Regierung dringend, der von der
Kommission beschlossenen Besetzung der Strafkammer erster Instanz mit 5
Richtern zuzustimmen. Abg. v. Buchka (kons.) betont die Notwendigkeit,
die Berufung gegen Strafkammerurteile einzuführen. Abg. Lenzmann
(fr. Vp.) spricht für das Dreirichterkollegium, um die Vorlage nicht scheitern
zu lassen. Am folgenden Tage erklärt Staatssekr. Nieberding: Die Re-
gierung halte auf die Gefahr des Scheiterns der Vorlage hin an dem Grund-
satze fest: 5 Richter ohne Berufung, 3 Richter mit Berufung. Der Be-
setzung mit 5 Richtern in erster Instanz ständen große organisatorische, in
zweiter Linie finanzielle Bedenken entgegen. — Nach weiterer Debatte wird
gegen die Stimmen der Deutschkonservativen und der Reichspartei, zu
denen vom Zentrum die Abgg. Lerno und Rintelen, von den National-
liberalen die Abg. Boltz, Kruse, Wamhoff, Placke, Paasche, Jorns kommen,
der Antrag der Konservativen auf die Besetzung der Strafkammern mit
drei Richtern abgelehnt.
Hierauf erklärt Staatssekretär Nieberding: Durch die eben vor-
genommene Abstimmung hat das hohe Haus den Willen kundgethan, es
bezüglich der Besetzung der Strafkammern entgegen dem Wunsche und der
Ueberzeugung der verbündeten Regierungen bei der Beschlußfassung der
zweiten Lesung zu belassen. Damit ist in die Vorlage eine Bestimmung
aufgenommen, die für die verbündeten Regierungen unter allen Umständen
unannehmbar ist, und eine Vorlage geschaffen, der sie, nachdem der Beschluß
perfekt geworden ist, ihre Zustimmung nicht würden erteilen können. Unter
diesen Umständen bin ich durch Beschluß des Bundesrats ermächtigt zu er-
klären, daß die verbündeten Regierungen auf eine Weiterberatung der Vor-
lage keinen Wert mehr zu legen haben. — Damit ist die Vorlage ge-
fallen (vgl. Bühl, Unsere Strafrechtspflege. Preuß. Jahrb. 87, S. 112).
14. Dezember. Das Preußische Abgeordnetenhaus ge-
nehmigt mit großer Mehrheit den Gesetzentwurf über die Besteuerung
des Gewerbebetriebes im Umherziehen und verweist den Entwurf
einer Stadt= und Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau an eine
Kommission.
16. Dezember. Der Reichstag genehmigt das Abkommen
mit Frankreich über den Handel mit Tunis in dritter Beratung
und verweist den Gesetzentwurf, betr. Zwangsversteigerung und
Zwangsverwaltung an eine Kommission.
16. Dezember. Das Preußische Herrenhaus wählt an
Stelle des verstorbenen Fürsten Stolberg-Wernigerode den Fürsten
Hohensolms-Lich zum Präsidenten und genehmigt die Vorlagen
über den Erwerb der hessischen Ludwigsbahn und die Konvertierung
(S. 133).
16. Dezember. (Mecklenburg-Schwerin.) Die Regierung
stimmt den Beschlüssen des Landtags über die Lehrerbesol-
dung zu.