224 Frankreich. (Oktober 9.)
heute, im Begriff Ihr schönes Land zu verlassen, hatte ich das Vergnügen
des imposantesten militärischen Schauspiels, indem ich der Truppenschau
auf gewohntem Uebungsgelände beiwohnte. Frankreich kann stolz auf seine
Armee sein. Sie haben Recht zu sagen, Herr Präsident, daß die beiden
Länder durch unwandelbare Freundschaft verbunden sind. Ebenso besteht
zwischen unseren beiden Heeren ein tiefes Gefühl der Waffenbrüderschaft.
Ich erhebe mein Glas zu Ehren Ihres Landheeres und Ihrer Seemacht
und trinke auf das Wohl des Präsidenten der französischen Republik.“
9. Oktober. Das Zarenpaar reist von Chalons nach Darm-
stadt.
Der Zar nimmt von Faure unter Kuß und Umarmung Abschied.
Unterwegs werden folgende Telegramme gewechselt: „Im Augenblick des
Ueberschreitens der Grenze liegt mir daran, Ihnen nochmals auszudrücken,
wie sehr die Kaiserin und ich gerührt sind von dem warmen Empfang, der
uns in Paris bereitet worden ist. Wir haben das Herz des schönen fran-
zösischen Landes schlagen hören in seiner schönen Hauptstadt, und die Er-
innerung dieser wenigen Tage, die wir unter Ihnen verbracht haben, wird
uns tief im Herzen eingeschrieben bleiben. Ich bitte Sie, unsere Gefühle
in ganz Frankreich kundgeben zu wollen. Nikolaus."“
Faures Depesche lautet: „In dem Augenblicke, wo Ihre Majestäten
Frankreich verlassen, liegt es mir am Herzen, daß Sie neuerdings die Aus-
drücke der Freude empfangen, die uns Ihr Besuch machte. Die Wünsche
der französischen Republik werden Ihre Majestäten bis auf den Boden Ihres
Reiches und für die ganze ruhmvolle Dauer Ihrer Regierung begleiten.“
Die Presse über den Zarenbesuch.
Sämtliche Zeitungen bringen Festartikel. Viele begrüßen den Zaren
als Friedensbringer, andere hoffen auf einen Revanchekrieg und die Er-
ais Elsaß-Lothringens. An ein festes Einvernehmen glauben fast
ämtliche.
„Journal des Débats“: „Die Existenz der Allianz, welche man
heute als offiziell proklamiert betrachten kann, war niemals ernstlich in
Zweifel gezogen worden von Denjenigen, welche den Lauf der Ereignisse
seit einigen Jahren verfolgen. Aber hier in Frankreich konnte man noch
gestern fragen, ob die Allianz mit Rußland eine Fata morgana oder ob
sie Wirklichkeit sei. Bei Einigen von uns war die Furcht nicht zu bannen,
daß wir die Dupes einer patriotischen Illusion seien, und in einem Lande
des allgemeinen Stimmrechts konnte der Zustand der Ungewißheit auf die
Länge nicht andauern.“
„Temps“: „Wenn der russische Kaiser, wie unsere Feinde in Europa
behaupten, ein so lebhaftes Vorurteil gegen unsere Institutionen hätte,
würde er in Cherbourg und im Elysee nicht so gesprochen haben. Mit
Frankreich hat der Zar Freundschaft geschlossen und indem er die Präfsi-
denten der Kammern besuchte, hat er bewiesen, daß er unsere Zustände
nicht für vorübergehend hält.... Was unsere gemeinschaftliche Aktion
nach außen hin und den wahren Hintergrund unserer Allianz selbst be-
trifft, so gestatten die Reden des Zaren und des Präsidenten nicht mehr
eine eigennützige Geringschätzung der Republik."
„Figaro“: Wir danken den hohen Gästen, weil sie uns Gelegenheit
geben, die Intensität des geistigen Lebens der französischen Nation zu er-
messen. Sie versöhnen uns mit uns selbst, indem sie uns zeigen, wie fest
unser Glaube an die Zukunft des Vaterlandes in unseren Seelen wurzelt.
Der „Soleil“ nennt den Besuch des Kaiserpaares die Belohnung