Das Dentsche Reithh und seine einzelnen Glieder. (Februar 4.—8.) 23
Autorität des Rechts als solchem, wenn ein Recht im ganzen Reiche für
50 Millionen Deutsche gilt. In dieses Werk ist ein unermeßlicher wirt-
schaftlicher, sittlicher und sozialer Fortschritt eingeschlossen. Die Wirkungen
unseres einheitlichen Rechtes werden sich bald fühlbar machen, nicht nur
in Deutschland, sondern auch in der ganzen Welt. Die politischen und
juristischen Autoritäten des Auslandes verfolgen mit gespanntem Interesse
das Werden des einheitlichen deutschen Rechts. Am Reichstag ist es, die
Hoffnungen des deutschen Volks zu erfüllen, die verbündeten Regierungen
legen es vertrauensvoll in seine Hand. (Bravol)
Abg. Rintelen (3.): Das Zentrum sehe die Vorlage als ein großes
nationales Werk an, wolle aber eine Reihe Bestimmungen in der Kommis-
sion beraten und ändern, namentlich die über das Familien= und Eherecht.
Diese entsprächen dem modernen Liberalismus, aber nicht dem christlichen
Glauben. Die Abgg. v. Cuny (ul.), v. Buchka (kons.), Schröder (frs.
Vg.), Leuschner (RP.) wünschen dringend ein Zustandekommen des natio-
nalen Werkes und lehnen die Forderungen des Zentrums hinsichtlich der
Zivilehe ab. Am folgenden Tage schließt sich Abg. v. Dziembowski
(Pole) den Ausführungen Rintelens an und tadelt, daß die Anfiedlungs-
gesetzgebung vom Entwurfe nicht berührt werde. Abg. Kauffmann (frf.
Vp.) bemängelt einige Bestimmungen, namentlich das Vereinsrecht. Geh.
Justizrat Planck: Es sei notwendig gewesen, auch das werdende Recht und
vor allem die praktischen Bedürfnisse im Leben zu berücksichtigen, und über
die Frage der juristischen Person müßte das Gesetzbuch volle Klarheit
bringen. Es sei nur ein Schlagwort, daß in dem Entwurf die wirtschaft-
lich Schwachen nicht genügend geschützt seien, besonders gehe dies aus den
Bestimmungen über den Mietsvertrag und den Dienstvertrag hervor. Das
Pfandrecht sei erheblich eingeschränkt, und das Eigentum werde durchaus
nicht nach römischen Begriffen behandelt. Bezüglich der Ehe ordne der
Staat nur die rechtliche Seite, die Hauptbedeutung der Ehe, die sittliche
und religiöse, gehöre nicht vor das Forum des bürgerlichen Rechts. Der
Entwurf habe im einzelnen vielleicht Mängel, im ganzen aber eine un-
geheure nationale Bedeutung. Abg. Stadthagen (Soz.): Man habe Ver-
trauensmänner aller besitzenden Klassen zugezogen, aber keine aus dem
arbeitenden Volke. Man habe kein Einheitsrecht geschaffen, sondern ver-
altete Rechtssatzungen aufrecht erhalten, resp. den Landesgesetzgebungen über-
lassen. Die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der Arbeiter sei
nirgends berücksichtigt, den Arbeitsvertrag suche man vergebens. Er bitte,
den Entwurf mehr im Interesse der Hilflosen und Schwachen abzuändern.
Es, gehen Geh. Rat Prof. Sohm und Abg. Spahn (.3.) entgegen
(5. Febr.).
Am 6. Febr. wird die Vorlage an eine Kommission von 21 Mit-
gliedern verwiesen und der Kommission die Ermächtigung erteilt (gegen die
Stimmen des Zentrums, der Polen und einiger Deutsch-Sozialer), durch
UMehrheitsbeschluß ohne Debatte einzelne Abschnitte des Entwurfes zu er-
edigen.
4. Februar. (Straßburg.) Etat für die Reichslande.
Staatssekretär v. Schraut legt den Etat für 1896/97 vor; derselbe
weist eine günstige Finanzlage auf und verspricht mit einem Ueberschuß
von 1,500,000 abzuschließen. Im ganzen balanciert der Etat mit
55 Millionen Mark. Der Ueberschuß rührt teils von über Erwarten großen
Ueberweisungen des Reichs, teils von eigenen Mehreinnahmen des Landes her.
8. Februar. (Reichstag.) Der Reichskanzler Fürst Hohen-