Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Das Denishhe Reith und seine einzelnen Slieder. (März 2.) 41 
Schönhausen betont die Notwendigkeit, den deutschen Zuckerexport zu er- 
halten, wünscht aber auch eine Amendierung des Entwurfs. 
Am folgenden Tage führt Landwirtschaftsminister Frhr. v. Hammer- 
stein aus: Es stehe fest, daß die Steuergesetzgebung die Zuckerindustrie zu 
dem gemacht habe, was sie ist, zu einer Industrie ersten Ranges. Von der 
Produktion könne das Inland nur / aufnehmen, 3 davon sei auf den 
Export angewiesen. Der deutsche Rübenbau habe sich trotzdem zu einem 
nichtkapitalistischen Betriebe entwickelt. Wo Aktien vorhanden sind, be- 
fänden sie sich meist in den Händen der rübenbauenden Bevölkerung. Dem 
Wege des Gesetzes von 1891 könne man im Interesse der Zuckerindustrie 
und des Rübenbaues nicht länger folgen, das habe auch der Reichstag an- 
erkannt, als er im vorigen Jahre das Notgesetz annahm. Unsere Haupt- 
konkurrenten Oesterreich und Frankreich gewährten weit höhere Export- 
prämien, als sie die Vorlage in Deutschland einführen wolle, zu schweigen 
von der gegenwärtigen geringfügigen Exportvergütung. Man könne doch 
nicht drei Fünftel unserer Produktion der Konkurrenz auf dem Weltmarkt 
schutzlos preisgeben. Der Standpunkt des Abg. Richter, die freie Konkur- 
renz walten zu lassen und gar keine Prämien zu gewähren, sei zwar theo- 
retisch ganz schön, praktisch aber völlig undurchführbar, denn damit würde 
unser Zucker exportunfähig werden, weil eben die Konkurrenzstaaten ihre 
hohen Prämien fortgewähren. Unter diesen Umständen müsse man sich auf 
den Boden der realen Verhältnisse stellen. Einen künstlichen Gegensatz 
zwischen Nord= und Süddeutschland könne man in dieser Frage nicht kon- 
struieren. Deutschland sei ein einheitliches Wirtschaftsgebiet und wenn ein 
Teil leide, leide der ganze Organismus mit. Wenn die Rübenindustrie 
aufhöre eine landwirtschaftliche zu sein, wenn die kleineren und mittleren 
Fabriken mehr oder minder verkrachen, was dann von dem darin angelegten 
Kapital von 4—500 Mill. Mk. übrig bleiben würde? Der Betrieb sei 
jetzt intenfiv, wenn er wieder extensiv gemacht werden solle, würden eine 
Menge von Einrichtungen, Maschinen 2c. unrentabel und das darin ange- 
legte Kapital gehe der Landwirtschaft verloren. Der Verbrauchszucker werde 
nicht um 20 pCt., sondern höchstens um 10 pCt. teurer werden. Auch die 
Maschinenindustrie wäre durch den Ruin der Zuckerindustrie aufs äußerste 
geschädigt worden. Der preußische Domanialbesitz gewähre gegenwärtig eine 
doppelt so hohe Rente, als der übrige Grundbesitz, und umfasse ein Drittel 
des gesamten mit Rüben bebauten Areals. Welche Verluste würde er er- 
leiden! Wie würden unsere Handelsbeziehungen zu Amerika geschädigt 
werden, wo man jetzt schon den deutschen Zucker differentiell behandle! 
Rußland gehe energisch damit vor, seinen Zuckerexport zu heben, und da 
sollen wir unsere Industrie einfach preisgeben:? Das solle man thun, wo 
sich die Landwirtschaft in einer so kritischen Lage befinde? Ein wirklicher 
Freund der Landwirtschaft werde diesen Schritt nie thun. 
Abg. Bock-Gotha (Soz.): die Zuckerindustrie leide nur unter einer 
vorübergehenden Preisreduktion, die eine Folge der Ueberproduktion sei; 
der Standpunkt der Konsumenten müsse gegenüber den Fabrikanten zur 
Geltung kommen. In seiner Heimat gebe es, wo Zuckerfabriken bestehen, 
keine kleinen Landwirte, die Rübenlieferanten seien sämtlich Großbauern 
und Domänen. Abg. Dr. Schädler (3.) hält die große Erhöhung der 
Prämien und der Verbrauchssteuer für unannehmbar, ist aber zu einer 
Kommissionsberatung bereit. Für die Vorlage sprechen noch die Abgg. 
Götz v. Olenhausen (Welfe), Paasche (ul.) und Meyer-Danzig (R.), 
dagegen Barth (frsf. Vg.), Zummermann (Antif.) und Staudy (konf.) 
(4. März). Am 5. März wird die Vorlage an eine Kommission von 21 
Mitgliedern Üüberwiesen.
	        
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