Das Vensche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 1.) 91
dem Zentrun Das Zentrum und „dieser“ Reichstag dürfen auch
entschieden Genugthuung über das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetz-
buches empfinden. Wenn auch das Interesse einer Partei oder eines Reichs-
tages nicht maßgebend sein darf für die Annahme oder Ablehnung eines
Gesetzes, zu unterschätzen ist die politische Tragweite doch nicht, daß gerade
„dieser" Reichstag, in dem das Zentrum eine führende und ausschlaggebende
Stellung einnimmt, das große Gesetzgebungswerk so glatt und glücklich zu
stande gebracht hat. Es wird fortan sehr schwer sein, „diesem“ Reichstage
#ewas am Zeuge zu flicken und zu behaupten, er sei unfähig zu positiver
rbeit."
In einigen Zentrumsorganen werden Vorwürfe gegen die Partei
laut, daß sie ihre parlamentarische Machtstellung nicht zur Beseitigung der
obligatorischen Zivilehe benutzt habe, von den meisten jedoch zurückgewiesen
mit der Begründung, daß sich das kanonische Recht mit der obligatorischen
Zivilehe leichter als mit der fakultativen vertrage.
1. Juli. (Wilhelmshaven.) Der Keiser richtet folgendes
Telegramm an den „Norddeutschen Lloyd“ und die „Hamburg-
Amerikan. Packetfahrt--Aktiengesellschaft“:
„Als Zeichen meines besonderen Kaiserlichen Wohlwollens habe ich
den Führern deutscher Seehandelsschiffe, solange sie Offiziere des Beur-
laubtenstandes sind, die Berechtigung verliehen, das Eiserne Kreuz auf der
Deutschen Handelsflagge zu führen. Durch diese Auszeichnung möchte Ich
das Band fester knüpfen, welches Meine Marine mit der Handelsschiffahrt
verbindet, auf deren Unterstützung zu rechnen sie im Kriege angewiesen ist.
Gleichzeitig wollen die Offiziere des Beurlaubtenstandes darin neue Aner-
kennung und einen Ansporn erblicken, sich auch fernerhin durch Gewissen-
haftigkeit in der Führung der ihnen anvertrauten Schiffe auszuzeichnen.
Wilhelm, I. R.“
1. Juli. (Wilhelmshaven.) Der Kaiser hält bei der
Taufe des Panzerschiffes „Kaiser Friedrich III.“ folgende Rede:
Hochragend, zum Ablauf bereit, um auf sein Element zu kommen,
steht, festgefügt von deutscher Arbeiter Hand, wiederum ein großes Schiff
unserer Marine. Dank der Ueberzeugung, die je mehr und mehr im Volke
Platz greift, daß unseres Vaterlandes Vertretung und Schutz auf den Ge-
wässern in gebührender Machtenfaltung sich entwickeln muß, find die Mittel
durch deutsche Volksvertreter bewilligt, aus denen als erstes einer Reihe
neuer Schlachtschiffe dieses hervorgegangen ist. Mit Stolz kann unsere
Industrie und unser Handwerk auf diesen Bau zurückblicken; ebenbürtig
jedem fremden, wenn nicht gar viele andere noch übertreffend. Es gilt
nunmehr, diesem Erzeugnisse deutschen Fleißes, deutscher Ueberlegung und
deutscher Berechnung, diesem werdenden Schiff einen Namen zu bestimmen.
Ueberall in unserem weiten Vaterlande erheben sich in Städten und auf
steilen Bergen und Höhen die Denkmäler für die verstorbenen Kaiser:
Symbole der Dankbarkeit eines Volkes für seine Herrscher, Erinnerungen
an große, gemeinsam durchlebte Zeiten, Wahrzeichen für die wiedergewonnene
Einheit. Ein solches Wahrzeichen soll auch dieses Schiff für uns sein.
Einen Namen sollst Du tragen, bei dessen Aussprache eines jeden Deutschen
Pulse höher schlagen, bei dessen Klang eines jeden deutschen Soldaten Herz,
möge er dereinst gefochten haben oder noch im Kriegsdienste stehen, höher
schlägt und seine Augen mit freudigem Naß sich füllen. Erinnern sollst
Du an die gewaltige Erscheinung Dessen, dem es bestimmt war, an der