Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

310 Bulgarien. (Januar 2. — März 1.) 
2. Bulgarien. 
2. Januar. (Sofia.) Rückberufung desertierter Offiziere. 
Pensionsgesetz. 
In der Sobranje wird ein Ukas verlesen, durch welchen den nach 
Rußland desertierten oder in den russischen Dienst getretenen Offizieren 
volle Amnestie gewährt wird. Der Ukas wird mit lebhaftem Beifall auf- 
genommen. Der Kriegsminister bringt sodann einen Gesetzentwurf mit 
folgenden Bestimmungen ein. Offiziere, welche nach den Ereignissen des 
9. Angust 1886 die bulgarische Armee verlassen haben und in den Dienst 
der russischen Armee eingetreten sind, werden den nach den Bestimmungen 
des Militärpensionsgesetzes auf sie entfallenden Pensionsbetrag erhalten. 
Die von diesen Offizieren in der russischen Armee zugebrachte Dienstzeit 
wird zu der in dem bulgarischen Heere zurückgelegten Dienstzeit hinzu- 
gerechnet. Das Recht auf die Pension haben nur diejenigen, welche in 
beiden Armeen zusammen mindestens eine zehnjährige Dienstzeit zurückgelegt 
haben. Der Gesetzentwurf schlägt vor, den Obersten die Pension von Regi- 
mentskommandeuren, den Oberstlieutenants diejenige von Bataillonskom- 
mandeuren, den Kapitänen diejenige von Kompagniekommandanten und den 
Lieutenants und Unterlieutenants die Pensionen von Subalternoffizieren zu 
bewilligen. Offiziere, welche nach der Veröffentlichung dieses Gesetzes in 
den Dienst einer fremden Armee eintreten, werden der durch das Gesetz ge- 
währten Rechte nicht teilhaftig werden. — Die Gesetze werden mit großer 
Majorität angenommen. 
5. Januar. Mitteilung über die Beziehungen zwischen Fer- 
dinand und Stambulow. 
Die „Köln. Ztg.“ gibt den Wortlaut eines bisher nicht veröffent- 
lichten Briefes, den Stambulow zehn Tage vor der Ermordung an den 
Fürsten in Karlsbad gerichtet und indem er den Fürsten gebeten hat, dafür 
einzutreten, daß ihm der gewünschte Auslandspaß erteilt werde. In diesem 
Brief gibt Stambulow eine Darstellung der Lage, in der er sich nach seinem 
Rücktritt in Sofia befinde. Der Brief schließt folgendermaßen: „Ich würde 
mich nicht entschließen, Euere königliche Hoheit mit meinen Beschwerden zu 
belästigen, wenn ich von anderer Seite Genugthuung erhalten könnte. Da 
ich indessen von Ihren Ministern verfolgt werde, so wende ich mich um 
Schutz und Gerechtigkeit an Ihren Führer und höchsten Vorgesetzten.“ Die 
„Köln. Ztg.“ bemerkt, daß auf diesen Brief Stambulow keine Antwort 
erhalten habe. 
25. Februar. (Sobranje.) Der Ministerpräsident Stoilow 
sagt über die kretische Frage: 
Die bulgarische Nation verfolge die Bestrebungen der Kretenser mit 
Sympathie; die Regierung wende den Ereignissen ihr volles Augenmerk zu. 
Die Durchführung der Reformen in den türkischen Provinzen hätten die 
europäischen Mächte in die Hand genommen und die bulgarische Regierung 
folge diesem Vorgehen mit Vertrauen. Die Regierung werde, um sich nicht 
den Vorwurf, ein Störenfried zu sein, zuzuziehen, sich aller Abenteuer ent- 
halten und den Erfolg der von den Mächten unternommenen Schritte ab- 
warten, zumal Bulgarien über die Mittel verfüge, um seine Interessen 
stets rechtzeitig wahrzunehmen. 
1. März. (Sofia.) König Alexander von Serbien besucht 
den Fürsten Ferdinand.
	        
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