Nordameriks. (Dezember 6.) 329
6. Dezember. (Washington.) Zusammentritt des Kon-
gresses. Botschaft des Präsidenten; Kuba, Hawaii, Silberfrage.
Die Botschaft betont, daß, nachdem die Tarifgesetzgebung geordnet
sei, die Währungsfrage die nächste dringende Frage sei. Sie empfiehlt,
daß, sobald die Einnahmen zur Deckung der Ausgaben der Regierung aus-
reichen, die Noten der Vereinigten Staaten, nachdem sie in Gold eingelöst
wurden, bei Seite gelegt und nur im Austausch gegen Gold wieder aus-
gegeben werden sollen. Im Anschluß hieran erklärt der Präsident seine
Zustimmung zu den in dem Bericht des Schatzsekretärs Gage enthaltenen
Vorschlägen betreffend das Währungs= und Nationalbankwesen. Zur
kubanischen Frage heißt es, es sei nicht der Wunsch Amerikas, aus Spaniens
Mißgeschick Nützen zu ziehen; es wünsche nur zu sehen, daß die Kubaner
sich eines Maßes von Autonomie erfreuen, welches das unveräußerliche
Recht der Menschheit sei. Die spanische Regierung habe in ihrer Erwide-
rung auf die letzten Vorstellungen der Vereinigten Staaten zugegeben, daß
letztere durch den Krieg hart betroffen seien, und habe politische Reformen
versprochen, welche Kuba innerhalb eines annehmbaren Zeitraumes pazi-
fizieren sollen; überdies sei General Weyler, dessen brutale Maßnahmen
die Welt empört hätten, abberufen worden. An eine zwangsweise Ein-
verleibung könne nicht gedacht werden; eine solche würde ein verbrecherischer
Angriff sein. Die Anerkennung der Aufständischen als kriegführende Macht
wäre gegenwärtig unklug und unzulässig; werde sie sich aber später als
rätlich erweisen, so werde die Regierung einen entsprechenden Schritt thun.
Es sei unleugbar, daß das Ministerium Sagasta während der wenigen
Wochen seines Bestehens Beweise der Aufrichtigkeit seiner Versicherungen
gegeben habe. Man dürfe keine Ungeduld aufkommen lassen, die Spanien
behindern würde. Man müsse Spanien eine angemessene Chance zur Ver-
wirklichung der Erwartungen lassen, die es in das neue Regime auf Kuba
setze. Wenn kein gerechter Friede erreicht werde, so werde die Notwendig-
keit eines weiteren Vorgehens der Vereinigten Staaten bestehen bleiben.
„Wenn es uns später als eine Pflicht erscheinen wird“, bemerkt der Prä-
sident, „die uns unsere Verpflichtungen gegen uns selbst, die Zivilisation
und Menschlichkeit auferlegen, unter Anwendung von Gewalt zu inter-
venieren, wird dies allein der Fall sein, weil die Notwendigkeit eines
solchen Vorgehens so klar sein wird, daß sie uns die Unterstützung und
Zustimmung der zivilisierten Welt verschaffen wird.“ Der Präsident be-
fürwortet die Durchführung der Einverleibung Hawaiis und fügt hinzu,
Japan sei gegenwärtig von der Absicht der Vereinigten Staaten überzeugt,
alle Fragen, die die Interessen Japans berühren, im freundlichsten Geiste
zu behandeln. Sodann spricht die Botschaft die Hoffnung aus, daß die
Bemühungen des Senators Wolocott schließlich zu einem internationalen
Abkommen über die Silberfrage führen werden. Der Kommissar Kasson
stehe gegenwärtig mit verschiedenen Regierungen in Europa und Amerika
wegen des Abschlusses von Gegenseitigkeitsverträgen in Unterhandlung, und
es sei anzunehmen, daß durch sorgfältige Ausübung der vom Kongresse
übertragenen Vollmachten eine Anzahl der Beschwerden der Vereinigten
Staaten und der anderen Länder bezüglich der gegenseitigen Handels-
beziehungen entweder beseitigt oder wesentlich erleichtert würden, so daß
der „Handelsverkehr der Vereinigten Staaten eine Ausdehnung erfahren
werde.