Das Veische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 23.) 49
nur auf einen verhältnismäßig geringen Prozentsatz der im Etatsentwurf
vorgesehenen Ausgaben beschränken müssen; denn der größere Teil der Po-
sitionen des Ausgabenetats beruht entweder auf rechtlicher Verpflichtung
oder ist zur Unterhaltung gesetzlich bestehender Einrichtungen notwendig
oder trägt endlich den Charakter von Fortsetzungsraten. Nimmt man des-
halb den Prozentsatz, der durch die gesetzgebenden Versammlungen am Aus-
gabeetat gestrichen werden kann, auch noch so hoch, so wird es doch nach
Ansicht der verbündeten Regierungen vollkommen genügen zu dem eben an-
gegebenen Zwecke der clausula Franckenstein, den Bundesstaaten statt der
Zölle und dreier Ueberweisungssteuern nur eine Ueberweisungssteuer zu über-
lassen und in gleicher Höhe nach dem durchschnittlichen Ertrage dieser Ueber-
weisungssteuer die Maximalgrenze der Matrikularbeiträge zu bemessen. Würde
diese Maximalgrenze der Matrikularbeiträge als Aequivalent für die über-
wiesene Steuer auf eine Anzahl von Jahren — ich will sagen: auf 5,
meinethalben auch 3 Jahre — begrenzt, so würde erstens der Reichstag
vollkommen ausreichenden Spielraum haben, durch Beschränkung der Aus-
gaben und Beschräukung der zu fordernden Matrikularbeitragssummen sein
Etatsrecht uneingeschränkt zu üben; ferner würden aber auch die Bundes-
staaten sich auf eine absehbare Zeit mit ihren Etats, die zum Teil mehr-
jährige find, auf die Matrikularforderung des Reichs einrichten können und
nicht in jene fortgesetzt nervöse Unruhe versetzt werden in ihrer eigenen Finanz-
gebarung, die eine notwendige Folge der wechselnden Anforderungen des Reiches
ist. Um einmal diesen Gedanken praktisch auszugestalten, kann ich mir z. B.
denken, daß den Bundesstaaten statt der bisherigen Ueberweisungssteuern
und der Einnahmen aus den Zöllen nur die Branntweinverbrauchsabgabe
verbliebe (hört! hört! aus der Mitte), durchschnittlich jährlich etwa 100 Mil-
lionen, und daß gleichzeitig auf einen bestimmten Zeitraum die Maximal=
grenze der von den Einzelstaaten zu fordernden Matrikularbeiträge auf jene
Summe von 100 Millionen festgesetzt würde. Dann wäre die Reichsfinanz-
verwaltung so klar, so einfach, daß sie jedermann im Lande verstehen würde.
Ferner blieben aber auch die staatsrechtlichen Zwecke der clausula Francken-
stein vollkommen gewahrt. Denn je mehr die Bundesstaaten die Ausgaben
beschränken, desto mehr würde auch die nachträgliche Matrikularbeitrags-
sorderung unter der Maximalgrenze von 100 Millionen zurückbleiben und
die Bundesstaaten würden in der Lage sein, thatsächlich einen Teil des
ihnen überwiesenen Betrages der Branntweinverbrauchsabgabe für sich
dauernd zu retten. Ebenso aber würde ganz gleicher Weise der Reichstag
in der Lage sein, Streichungen von Ausgaben, rein theoretisch betrachtet,
bis zu 100 Millionen, vorzunehmen und um den gleichen Betrag die Ma-
trikularbeiträge zu kürzen, d. h. unter Umständen gar keine Matrikularbei-
träge zu bewilligen. Selbstverständlich wird thatsächlich der Reichstag nie
so weit gehen können. Die Bundesstaaten würden aber dann bei der Auf-
stellung ihrer einjährigen oder mehrjährigen Etats ganz klar wissen, welche
Maximalschuld sie nach dem System der Verteilung der Matrikularbeiträge
im äußersten Falle an das Reich zu leisten haben, und könnten sich danach
einrichten. Die verbündeten Regierungen glauben, daß das ein Weg wäre,
auf dem man zu einer Vereinfachung der jetzigen Finanzgebarung des
Reichs gelangen könnte. Es mag auch andere Wege geben; es hat aber
das hohe Haus vielleicht die Geneigtheit, sich mit diesem Gedanken zunächst
einmal theoretisch zu beschäftigen. Man könnte freilich gegen eine derartige
Gestaltung des Reichsfinanzwesens den Einwand erheben, daß damit unter
Umständen die Forderung neuer Steuern näher gerückt sei; denn wenn that-
sächliche, unabweisbare Bedürfnisse des Reichs vorlägen, die man nicht ab-
zuweisen vermöge, könnte man bei einer derartigen gesetzlichen Gestaltung
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XXXVIII. 4