Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

68 JNos Veutsche Keic und seine einjelnen Glieder. (März 18./20.) 
Wasser und zu Land. Keine Volksvertretung wird geneigt sein, dieser 
Forderung der Nation Widerstand zu leisten. Bei den Beschlüssen der 
Budgetkommission ist das Auswärtige Amt der leidtragende Teil. Die 
Budgetkommission hat diesem Ressort so viel Uebles zugefügt, als sie über- 
haupt konnte; sie hat nicht nur das nicht bewilligt, was zu Gunsten des 
auswärtigen Dienstes verlangt war, sondern hat auch zum Teil das wieder 
genommen, was ich bereits zu besitzen glaubte, und zwar dadurch, daß die 
Bauraten für die früher bewilligten Schiffe vermindert und dadurch der 
Bau der Schiffe verlangsamt wurde. (Sehr richtig! rechts.) Ob bei diesen 
Strichen der Gedanke an die Weltpolitik mitgespielt hat, das weiß ich 
nicht; ich kann nur sagen: ich fürchte mich so wenig vor diesem Worte, 
daß ich förmlich herausfordere zur Diskussion darüber. Ich will meine 
Ansicht in dieser Beziehung ganz offen sagen. Die Frage, ob Deutschland 
Weltpolitik treiben soll, hängt untrennbar zusammen mit der anderen, ob 
Deutschland Weltinteressen hat, oder ob es keine hat (Sehr richtig! rechts); 
diese Frage ist längst entschieden und der Bundesrat und der Reichstag 
sind gar nicht darüber gehört worden. Die deutschen Kaufleute, die Hun- 
derte von Millionen an deutschen Produkten in überseeische Länder geben, 
die deutschen Rheder, die Tausende von Schiffen ausrüsten, um die Meere 
aller Länder zu befahren, und die Deutschen, die über das Meer ziehen, 
um dort eine neue Heimat zu gründen, — die haben auf dem großen 
Schachbrett der Welt die deutschen Steine aufgestellt in der Erwartung, 
daß wir sie schützen und nützen. Sollen wir diese Erwartung täuschen? 
Ich meine, der Gedanke, daß wir dazu zu arm, zu schwach zu elend find, — 
der kann bei einem Deutschen nicht aufkommen; wir würden dann auf- 
hören, das zu sein, was wir dank großer Zeiten geworden sind. (Bravol) 
Der Kraftüberschuß an Gut und Blut, den eine große, aufstrebende Nation 
abgibt an fremde Länder, der bildet doch wirtschaftlich und politisch, 
materiell und ideell ein gar kostbares Kapital. Dieses Kapital zu erhalten, 
zu pflegen, es nutzbar zu machen für das Mutterland, ist eine unserer ersten 
Pflichten, und für den Kreis dieser Pflichten nehme ich das Wort „Welt- 
politik“ in Anspruch; in diesem Sinne wollen und müssen wir Weltpolitik 
treiben. (Sehr richtigl) Die Gefahr, daß wir auf diese Weise auf eine 
abschüssige Bahn gelangen, besteht nicht. Wer das fürchtet, sieht Gespenster 
am hellen Tage. Die einheimischen Interessen, die uns zunächst liegen mit 
allen ihren Lasten, mit allen ihren täglichen Sorgen, bilden das Schwer- 
gewicht, das uns abhalten wird, über dem Meere Abenteuer zu suchen. 
Davon ist nicht die Rede. Ich will auf das Argument verzichten, daß, 
weil andere Staaten so viel Schiffe bauen, wir eine gleiche Anzahl haben 
müssen. Ich bekenne mich zu der Ansicht, daß der Aufwand für übersee- 
ische Interessen stets im Einklange sein muß mit den individuellen Auf- 
gaben eines jeden Staates für seine einheimischen Interessen, und ich ver- 
arge es niemandem, der gegenüber den Anforderungen für die Marine sich 
die Gesammtlast ansieht, die unser deutsches Volk auch heute schon zu tragen 
hat. Aber, meine Herren, ich frage: wo haben denn die verbündeten Re- 
gierungen bis jetzt die Veranlassung gegeben zu der Annahme, sie könnten 
die vernünftigen Grenzen dieser Weltpolitik überschreiten: Wer unserem 
deutschen Leben fern steht und, angeregt durch den Streit der Meinungen, 
den vorliegenden Etat ansieht, der wird sich eines gewissen Staunens nicht 
erwehren können über den ungeheuren Apparat, der zur Zeit pro et contra 
diese Forderung ins Werk gesetzt wird. Es handelt sich doch im wesent- 
lichen um Ersatzbauten für veraltete Schiffe, und die Forderung für die 
beiden Kreuzer, wenn sie formell auch Neubauten betrifft, hat doch der 
Sache nach auch Ersatzbauten im Auge. Denn wenn diese Kreuzer fertig
	        
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