Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechzehnter Jahrgang. 1900. (41)

2 Das Pesche Reih und seine einjelnen Glieder. (Januar 1.) 
Hingabe an den Königlichen Dienst, volles Einsetzen aller Kräfte des Leibes 
und der Seele in rastloser Arbeit an der Ausbildung und Fortentwickelung 
Unserer Truppen. Und wie Mein Großvater für Sein Landheer, so werde 
auch Ich für Meine Marine unbeirrt in gleicher Weise das Werk der 
Reorganisation fort- und durchführen, damit auch sie gleichberechtigt an der 
Seite Meiner Streitkräfte zu Lande stehen möge und durch sie das Deutsche 
Reich auch im Auslande in der Lage sei, den noch nicht erreichten Platz zu 
erringen. Mit beiden vereint hoffe Ich in der Lage zu sein, mit festem 
Vertrauen auf Gottes Führung den Spruch Friedrich Wilhelms I. wahrzu- 
machen: „Wenn man in der Welt etwas will dezidieren, will es die Feder 
nicht machen, wenn sie nicht von der Force des Schwertes soutenieret wird.“ 
1. Januar. (Berlin.) Der Kaiser richtet folgenden Erlaß 
an das Heer anläßlich der Jahrhundertwende: 
An Mein Heerl! 
Vollendet ist das Jahrhundert, dessen Beginn das Vaterland in 
seiner tiessten Erniedrigung sah, dessen Ausgang gekrönt ist durch die Wieder- 
erstehung von Kaiser und Reich! Unter den Schlägen des Eroberers war 
das Deutsche Reich zusammengebrochen, dahingesunken die Macht Preußens, 
vernichtet das Heer des Großen Königs, welches einer Welt in Waffen 
siegreich Trotz geboten hatte. Wohl hatte nach sieben unvergessenen Leidens- 
jahren Peroe in wunderbarer Erhebung mit der ganzen Kraft eines zur 
Verzweiflung gebrachten Volkes die Ketten der Fremdherrschaft zerbrochen 
und damit Deutschland sich selbst wiedergegeben; wohl hatte in dem Be- 
freiungskampfe sein neu erstandenes Heer ungezählte Ruhmeskränze um 
seine Fahnen gewunden: der höchste Lohn für seine opferwillige Hingebung 
blieb dem Vaterlande versagt, unerfüllt das unauslöschliche Sehnen nach 
Deutschlands Einheit. Hadernd und entfremdet gingen die deutschen Stämme 
nebeneinander her, Deutschland blieb gering im Rate der Völker. Endlich 
ließ Gott ihm die Männer erstehen, die das auf blutgetränkten Schlacht- 
feldern begonnene Einigungswerk zur Vollendung führten. Heute steht das 
gemeinsame große Vaterland, geschirmt durch sein von einem Geiste beseeltes 
Heer machtvoll, ein Hort des Friedens da. Dankerfüllten Herzens richtet 
sich an dem Wendetage des Jahrhunderts Mein Auge zu dem Throne des 
Allmächtigen, der so Großes an Uns gethan hat; zu Ihm flehe Ich mit 
Meinem Volk in Waffen, daß Er auch in Zukunft mit Uns sein möge. 
Voll freudigen Stolzes gedenke Ich derer, die Er Seine Werkzeuge sein 
ließ: Meines vielgeprüften Herrn Urgroßvaters, des unvergeßlichen Großen 
Kaisers, Meines geliebten Herrn Baters und ihrer treuen Verbündeten; 
ihrer Berater und Heerführer, die Preußens Schwert geschärft und, als die 
Stunde des Kampfes schlug, sein Heer von Sieg zu Sieg geführt haben; 
der Männer, die für des Vaterlandes Befreiung und Ehre willig und 
surchtlos Leben und Blut zum Opfer gebracht haben. Unauslöschlich wird 
die Erinnerung an diese Helden im Deutschen Volke fortleben. Ich danke 
Meinem Heere für alles, was es in diesem langen Zeitraume Mir, Meinem 
Hause und dem Vaterlande geleistet hat, für seine Hingebung und Opfer- 
willigkeit, für seine Tapferkeit und Treue. Und wenn sich heute seine 
ruhmgekrönten Fahnen im Schmucke des Lorbeers vor dem Altare des All- 
mächtigen neigen, um von Mir das Erinnerungszeichen zu empfangen, das 
nach dem einmütigen Beschlusse Meiner erhabenen Bundesgenossen den Feld- 
zeichen des gesamten deutschen Heeres als ein neues Unterpfand seiner Ein- 
heit und seiner Untrennbarkeit zu Teil wird, dann soll es das Gelübde 
erneuern, immerdar es den Bätern und Vorvätern gleich zu thun, mit deren 
Blute der Bund gekittet ist, der Deutschlands Fürsten und VBölker jetzt und
	        
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