Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

Ve Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 1.—6.) 117 
heit zu entwickeln. Namentlich wird den Schülern Anleitung zu geben 
sein, daß sie solche Erscheinungen des geistigen und wirtschaftlichen Lebens, 
die von wesentlichem Einfluß auf Volksentwickelung gewesen sind, genügend 
würdigen lernen. Besonders sichern Takt und große Umsicht in der Aus- 
wahl und Behandlung des einschlägigen Stoffes erheischt die für die oberen 
Klassen geforderte Belehrung über wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen 
in ihrem Verhältnis zur Gegenwart. Der von ethischem und geschichtlichem 
Geist getragene Unterricht hat hierbei einerseits auf die Berechtigung 
mancher sozialen Forderungen der Jetztzeit einzugehen, andererseits aber 
die Verderblichkeit aller gewaltsamen Versuche der Aenderung sozialer 
Ordnungen darzulegen. Je sachlicher er die geschichtliche Entwickelung des 
Verhältnisses der Stände untereinander und der arbeitenden Klassen ins- 
besondere behandelt und den stetigen Fortschritt zum Besseren unter Ver- 
meidung jeder Tendenz nachweist, um so eher wird es bei dem gesunden 
Sinn unserer Jugend gelingen, sie zu klarem und ruhigem Urteil über 
das Verhängnisvolle unberechtigter sozialer Bestrebungen der Gegenwart 
zu befähigen. Diese wirtschaftlichen Bestrebungen werden sich überall da 
in den Gang der Geschichte einflechten lassen, wo die Lösung sozialer Auf- 
gaben und wirtschaftlicher Probleme versucht worden ist. Wo die Geschichte 
der letzten Jahrhunderte Anlaß bietet, die sozialpolitischen Maßnahmen 
der europäischen Kulturstaaten vor Augen zu führen, ist der Uebergang 
zur Darstellung der Verdienste unseres Herrscherhauses um die Förderung 
des Volkswohles bis in die neueste Zeit hinein von selbst gegeben. 
1. Juli. (Preußen.) Der Kultusminister erläßt neue Lehr- 
pläne für die Präparandenanstalten und Lehrerseminare. 
Der Lehrplan der dreiklassigen Präparanden-Anstalt und der des 
dreiklassigen Seminars bilden ein organisches Ganze. Die Präparanden- 
Anstalt soll auf der Grundlage des in der Volksschule vermittelten Wissens 
die allgemeine Bildung der Zöglinge weiterführen; das Seminar hat diese 
Bildung zum Abschluß zu bringen und die für die Verwaltung eines Volks- 
schulamtes erforderliche Fachbildung zu vermitteln. Von den Lehrstoffen, 
die bisher zu den Lehraufgaben der dritten und zweiten Seminarklasse 
gehörten, ist jetzt ein beträchtlicher Teil der Präparanden-Anstalt zuge- 
wiesen worden. Dadurch wird es im Seminar erleichtert, den dieser 
Anstalt zufallenden Lehraufgaben voll zu genügen, es wird mehr Zeit zu 
vertiefter Behandlung und ausreichender Wiederholung der Lehrstoffe, sowie 
zu einer gesteigerten praktischen Vorbildung der Zöglinge gewonnen. Die 
Lehrpläne für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit den 
kirchlichen Behörden aufgestellt. 
Anfang Juli. In der Presse wird die von der „Nowoje 
Wremja“ aufgeworfene Frage diskutiert, ob der Reichskanzler dem- 
nächst nach Petersburg zur Vorbereitung des deutsch-russischen 
Handelsvertrages reisen werde. 
4. Juli. (Württemberg.) Der Stuttgarter Gemeinderat 
beschließt, ein städtisches Wohnungsamt und eine besondere Ab- 
teilung für Wohnungswesen einzurichten. 
6. Juli. Der frühere Reichskanzler Fürst Hohenlohe-Schil- 
lingsfürst, 82 Jahre alt, in Ragaz #. 
Der Kaiser telegraphiert an den ältesten Sohn des Fürsten: Ich