Das Denishe Reit und seine einjelnen Glieder. (Dezember 10.) 171
sondere wegen Beteiligung der Studenten der Kurator des Warschauer
Lehrbezirks und der Direktor des Warschauer Polytechnikums, haben dem
kaiserlichen Generalkonsul offizielle Besuche gemacht, um ihr Bedauern über
den Vorfall auszusprechen. Ferner ordnete die russische Regierung eine
strenge Untersuchung und sofortige nachdrückliche Bestrafung der Schuldigen
an. Das zerstörte Konsulatsschild wird auf Veranlassung der russischen
Regierung durch ein neues ersetzt und in feierlicher Weise, vermutlich heute,
wieder angebracht werden. Die Solidarität, welche seit länger als einem
Jahrhundert Preußen und Rußland auf Grund der bestehenden Verträge
und des gegenwärtigen status quo verbindet gegenüber den Bestrebungen
und Tendenzen, die im letzteren Grunde darauf abzielen, den Gang der
Geschichte rückläufig zu machen und den status quo ante von 1772 wieder-
herzustellen, ist nicht so leicht zu erschüttern, wie manche Leute glauben.
Ebenso ergriff die österreichisch-ungarische Regierung in selbstverständlicher
Bethätigung ihrer bundesfreundlichen Gesinnung sofort nach dem Lemberger
Vorfall am 29. November Maßnahmen zum Schutze des dortigen kaiserlichen
Konsulats. Diese Maßnahmen erwiesen sich indessen nicht als ausreichend,
um die nach der Enthüllung des Denkmals eines polnischen Schriftstellers
vorgestern vor dem Konsulat erneuerte, umfangreiche Demonstration zu
verhindern. Wie nach dem Vorfall im November der Statthalter von
Galizien gegenüber dem deutschen Konsul in Lemberg, so hat nach den
vorgestrigen groben Ausschreitungen der österreich-ungarische Minister des
Auswärtigen unserm Botschafter in Wien sein lebhaftes Bedauern ausge-
sprochen, Graf Goluchowski sicherte zu, daß die Exzedenten energisch be-
straft und die Behörden zur Verantwortung gezogen werden würden; er
habe sich wegen weiterer Anordnungen sofort mit dem österreichischen
Ministerpräsidenten in Verbindung gesetzt. Ich kann aber nicht schließen,
ohne mein Erstaunen darüber auszudrücken, daß der Antragsteller auch nur
einen Augenblick annehmen konnte, wir würden uns durch ausländische
Beurteilung inländischer Vorgänge irgendwie impressionieren lassen. Aus-
ländische Stimmungen, Strömungen und Demonstrationen können weder
den Gang unserer inneren Politik, noch die Haltung des leitenden Ministers
im Reiche beeinflussen. Für mich kann nichts anderes maßgebend sein, als
die Staatsraison dieses Landes und meine Pflicht gegenüber dem Deutsch-
tum. Dieser Pflicht werde ich eingedenk bleiben und werde gegenüber der
ernsten Gefahr, die nach meiner Ueberzeugung unserem Volkstum von der
polnischen Seite droht, thun, was meines Amtes ist, damit der Deutsche
im Osten nicht unter die Räder kommt. (Lebhafter Beifall rechts, Zischen
bei den Polen.)
Abg. Roeren (3.): Das Aufsehen, das die Vorgänge im Auslande
erregt hätten, mache die Sache aus einer preußischen zu einer deutschen.
Das Gnesener Urteil sei überaus hart; die verurteilten Eltern hätten keine
Gewaltthätigteit begangen. Die Unterdrückungspolitik erbittere die polnische
Bevölkerung. Wie verschieden werden die protestantischen Polen, die Masuren,
zum Unterschied von den katholischen Polen behandelt! Denen hat man
ihre Muttersprache gelassen, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung,
daß sie sonst unzufrieden und der großpolnischen Agitation zugänglich ge-
macht werden würden. Fast das gesamte Beamtentum in Posen, vom
Landrat herab bis zum Gendarmen, ist protestantisch, in Posen sämtliche
28 Landräte. Auch außeramtlich germanisiert und protestantisiert man
hakatistischerseits. Der Provinzialverein für innere Mission will protestan-
tische Waisenkinder in die katholischen Gegenden Posens und Westpreußens
verpflanzen, um so später neue evangelische Gemeinden in diesen katho-
lischen Gebieten zu gründen. Ist das edel?