Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 19. —24.) 19
thätigten. In jenen Jahren der herbsten Prüfung, die unserm Vaterlande
beschieden waren, waren es die Ostpreußen, in deren Haus und Herzen
die königliche Familie sicher ruhte, und Ostpreußen wiederum waren es,
die, als die Morgenröte der besseren Zeit anbrach, vorangingen in der
vaterländischen Erhebung, wie sie reiner, edler und opferbereiter die Welt
nicht gesehen. Eine Geschichte wie diese, ist ein Denkmal fester wie Erz,
und so weiß Ich, aus wie treuem Herzen die Wünsche kommen, die Sie
mir soeben ausgesprochen haben. Treue um Treue! Dankbar werde Ich
allezeit im Herzen halten, was die Provinz für König und Vaterland
gethan hat, gerne werde Ich ihr Meine landesväterliche Huld und Fürsorge
gewähren. So entbiete Ich ihr auch heute Meinen Dank und königlichen
Gruß und ersuche Sie, geehrte Herren, dies allen denen kund zu thun, die
Sie entsandten.“
19. Januar. (Berlin.) Der Kaiser reist infolge der Krank-
heit der Königin Viktoria nach England.
20. Januar. (Berlin.) Der Zentralverein für Hebung der
deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt veranstaltet eine große Kund-
gebung für die Kanalvorlage.
22. Januar. (Preußen.) Ermordung eines Rittmeisters
im Dienst.
In Gumbinnen wird der Rittmeister v. Krosegk vom 11. Drag.-
Reg., der wegen Strenge und Jähzorn verhaßt ist, beim Exerzieren in der
Reitbahn erschossen. Der That angeklagt werden zwei Unteroffiziere seiner
Schwadron, Marten und Hickel. Sie werden beide nach mehrtägigem
Prozeß freigesprochen (3. Juni); der Gerichtsherr, Generalleutnant v. Alten,
legt Berufung gegen das Urteil ein. — Die Sache erregt großes Aufsehen.
23. Januar. (Reichstag.) Kundgebung zu Ehren der
Königin von England.
Reichskanzler Graf Bülow: Meine Herren! Nach 63jähriger Re-
gierung (die Abgeordneten erheben sich) ist Ihre Majestät die Königin von
England im 82. Lebensjahre zur ewigen Ruhe eingegangen. Während
ihrer langen Regierungszeit ist Königin Viktoria immer bestrebt gewesen,
ein friedliches und freundschaftliches Verhältnis zwischen Deutschland und
England zu pflegen. Nicht nur die engen verwandtschaftlichen Beziehungen
zwischen unserem Kaiserhause und dem englischen Königshause, sondern auch
die mannigfachen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Interessen, die
Deutschland und England verbinden, lassen uns aufrichtigen Anteil nehmen
an der Trauer des britischen Volkes um seine ehrwürdige Herrscherin. Ich
bin gewiß, daß ich mich mit den Empfindungen dieses Hauses begegne,
wenn ich dieser Teilnahme hier Ausdruck verleihe.
Präsident Graf Ballestrem: An der tieferschütternden Trauer-
botschaft, die uns soeben der Hr. Reichskanzler mitgeteilt hat, nehmen auch
wir vollen Anteil. Ich konstatiere, daß der Reichstag das Gedächtnis der
erhabenen verstorbenen Fürstin stets in hohen Ehren halten wird und an
der Trauer herzlichen Anteil nimmt. Ich bitte, mich zu ermächtigen, von
dieser Kundgebung Sr. Majestät dem Kaiser und Ihrer Majestät der
Kaiserin Friedrich namens des Reichstags Mitteilung zu machen. Ich
stelle dies als Beschluß des Reichstags fest.
24. Januar. (Reichstag.) Debatte über die Nichtbeförde-
rung von Postsachen mit polnischer Adresse. 2*