60 H# Detsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 15.)
zu oktroyieren haben) Was die Frage betrifft, wie lange unsere Truppen
noch in Petschili bleiben werden, so hängt das zunächst ab von der Ge-
staltung der Dinge in Petschili und in China selbst. Von der weiteren
Entwickelung der politischen und militärischen Verhältnisse, von dem weiteren
Verhalten der Chinesen und der Loyalität, mit der sie bestrebt sind, die
von ihnen angenommenen Friedensbedingungen zu erfüllen, davon wird
die Okkupation Petschilis abbängen. Wir werden uns auch nicht bloß durch
Versprechungen hinhalten lassen, auch nicht durch die schönsten Worte Li-
Hung-Tschangs. Es muß thatsächlich mit der Erfüllung der Friedens-
bedingungen Ernst gemacht werden. Dahin gehört in erster Linie Garantie
für die Zahlung der zu leistenden Entschädigung. Wenn wir diese Garantien
erhalten, werden wir unsere Truppen aus Petschili zurückziehen. Ein
Vergnügen ist es nicht, in Petschili zu bleiben. Die Okkupation ist aber
eine Pflicht, der wir uns nicht entziehen können und dürfen, solange nicht
von Seiten Chinas für die Erfüllung der Friedensbedingungen ernstliche
Bürgschaften vorliegen. Liegen solche Bürgschaften vor, so werden wir
Petschili verlassen mit dem aufrichtigen und lebhaften Wunsche, Petschili
so lange wie möglich nicht wieder zu sehen. (Bewegung.) Wir werden
die Interessen unserer Kaufleute und Missionäre wahrnehmen und uns
nicht durch chinesische Winkelzüge und Hinziehereien zu einem vorzeitigen
Verlassen Petschilis bewegen lassen. Das Oberkommando werden wir nicht
einen Tag länger aufrecht erhalten, als dies der Notwendigkeit der Lage
und den Münschen der Mächte entspricht. Solange aber diese beiden Vor-
aussetzungen zutreffen, wird der Graf Waldersee, wie bis jetzt mit Sicher-
heit und allgemein anerkanntem militärischem Takt sein Amt verwalten.
Endlich möchte ich einige Worte hinzufügen über die gegenwärtige diplo-
matische Lage. in China. Alle Mächte sind bestrebt, die Verhältnisse in
China zu konsolidieren, und alle wünschen, den baldigen Abschluß der
internationalen Verwickelung mit China herbeizuführen. Nichtsdestoweniger
bestehen zwischen den Mächten viele in der Natur der Dinge begründete
Divergenzen. Es gibt Mächte, deren Interessen an China wesentlich wirt-
schaftlicher Natur sind und andere Mächte, die dort mehr politische Ziele
verfolgen. Wir gehören nach meiner Auffassung in die erste Kategorie;
deshalb auch haben wir am 16. Oktober v. J. das deutsch-englische Ab-
kommen abgeschlossen. Unsere Tendenz ging dahin, einerseits die Integrität
von China solange als möglich aufrecht zu erhalten, andererseits in China
nur soweit uns zu engagieren, als es für unseren Handel geboten ist. Auf
die Mandschurei bezieht sich das deutsch-englische Abkommen nicht. (Hört,
hört!) Das geht schon aus dem Wortlaut des Abkommens hervor. Daß
dieses Abkommen keinerlei geheime Vereinbarungen und Klauseln enthält,
habe ich schon bei der ersten Lesung des Etats erklärt. Ich habe sofort
das Abkommen in ertenso der Oeffentlichkeit übergeben. Heute kann ich
hinzufügen, daß ich auch bei den Verhandlungen, die zum Abschluß dieses
Abkommens führten, keinen Zweifel darüber gelassen habe, daß der Vertrag
sich nicht auf die Mandschurei bezöge. An der Mandschurei haben wir
gar kein nennenswertes Interesse. Deutsche Missionäre und Handelsleute
sind in den Handelsplätzen der Mandschurei nur sporadisch anzutreffen.
Was aus der Mandschurei wird, ja, ich wüßte nicht, was uns an und für
sich gleichgiltiger sein wird. Auf der anderen Seite haben wir auch Interesse
daran, daß China im gegenwärtigen Augenblick und so lange seine Verpflich-
tungen gegenüber den Mächten nicht realisiert sind, sein Staatsvermögen
nicht ungebührlich verringere. China ist der Schuldner der Mächte, dessen
Schulden in recht erheblichem Grade aufgelaufen sind. Es ist in der Lage
eines Schuldners, der mit seinen Gläubigern in Akkord gelangt ist. Und