Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 7.) 33
sich der Vorwurf darauf, ich hätte die Vermehrung der Auslandsschiffe
beim Flottengesetz nicht für ausreichend bezeichnet. Darauf habe ich zu
erwidern: Erstens haben die Regierungen schon 1900 eine Vermehrung der
Auslandsindiensthaltung um acht große Schiffe für erforderlich gehalten,
davon sind fünf damals gestrichen, drei bewilligt, nur drei große Schiffe
für die effektive Vertretung Deutschlands auf der ganzen Erde! Zweitens:
der Druck für die Vermehrung der Auslandsindiensthaltung ist stärker ge-
worden. Den finanziellen Effekt der chinesischen Wirren habe ich nicht
vorausgesehen und die ganze Entwicklung in Asien läßt den Druck viel
stärker erscheinen. Wenn ich nun mit dieser Möglichkeit rechnete und mir
darüber klar war: was würde der finanzielle Effekt einer solchen Vermeh-
rung der Schiffe sein? Kann man da gegen einen Chef einen solchen
Vorwurf konstruieren? Es war einfach seine Pflicht! (Sehr wahr! rechts.)
Eine andere Verdächtigung knüpfte sich an folgenden Passus meines Er-
lasses: Eine parallel laufende planmäßige Steigerung der Indiensthaltung,
insbesondere der beschleunigte organisatorische Ausbau der Schlachtflotte
müßte in den Berechnungen vorläufig außer acht gelassen werden, da eine
den anwachsenden Schiffsbeständen entsprechende Steigerung der Indienst-
haltung für die Jahre 1905—1910 so hohe Bedürfniszahlen ergeben hätte,
daß die Flottenvorlage ohne neue Steuern nicht durchführbar wäre (Hört!
hört! links) und die Vorlage aufs äußerste gefährdet würde. (Hört! hört!
links.) Diesen Passus zu verstehen, dazu gehört eine eingehende Kenntnis
der Marineverhältnisse (Lachen links) und der Vorgänge. Der Erlaß war
ja auch an die Experten des Reichsmarineamts adressiert. Ich verstehe,
daß den draußenstehenden Laien, die sich mit diesen Dingen nicht beschäf-
tigt haben, dieser Passus unverständlich war. (Heiterkeit links.) Ja, ich
möchte zugeben, daß, wenn ein völliger Laie diesen Passus liest, er auf
den Gedanken kommt, da steckt etwas dahinter, da ist etwas nicht richtig.
(Sehr richtig links.) Das ist durchaus nicht der Fall. Auch den sachlichen
Inhalt dieses Passus halte ich absolut aufrecht. Freilich hätte ich, wenn
ich hätte ahnen können, daß dieser gestohlene Erlaß veröffentlicht werden
würde, diesen Passus ausführlicher behandelt. Zunächst handelt er über-
haupt gar nicht von Auslandsschiffen, sondern lediglich von dem organisa-
torischen Aufbau der Schlachtflotte. Nach dem Flottengesetz fielen in die
erste Hälfte der Ausführungszeit die Neubauten, in die zweite die Ersatz-
bauten. Es eilte also der Zahl nach das Schiffsmaterial in der ersten
Hälfte voraus und wird von dem Personalzuwachs erst in der zweiten ein-
geholt. Diese Eigentümlichkeit des Flottengesetzes würde zur Folge haben,
daß wir in den Jahren 8, 9, 10 der Zahl nach bereits die ganze Schlacht-
flotte so ausbauen können, wie wir überhaupt die Zeit haben. Das würde
nicht möglich gewesen sein, wenn wir es so gemacht hätten, und darauf
bezog sich die zweite Hälfte dieses Passus. Von einer Täuschung kann
man doch nur sprechen, wenn die Absicht vorgelegen hätte, die Schlacht-
flotte anders zu entwickeln, als es im Flottengesetz niedergelegt ist. Diese
Absicht hat weder 1900 vorgelegen, noch jetzt, sondern wir beabsichtigen,
das Flottengesetz so auszuführen, wie es gefaßt ist, eine solche Absicht wäre
ja auch nicht durchführbar. Wenn wir jenen Weg beschritten hätten, dann
hätten wir von vornherein das Personal an Offizieren und Schiffsjungen
nach solchen Berechnungen in doppelter Anzahl einstellen müssen, um die
Flotte bis 1910 vollständig zu formieren. Mit diesem Zuwachs hätten
gleichzeitig die Schulschiffszahl verdoppelt und die Mannschaftsquote auf
4000 Mann vermehrt werden müssen. Das wäre eben nicht möglich ge-
wesen; daß wir nicht so verfahren wollten, beweist der vorliegende und
der vorjährige Etat. Einen zweiten Beweis, daß die Absicht nicht vorlag,
Europäischer Geschichtskalender. XLIII. 3