74 Das Veutsche Reich und seine einfelven Glieder. (Mai 5.)
daß es gelingt, für unsere Ueberproduktion an Zucker andere Absatzmärkte
zu gewinnen. Wir sind überzeugt, daß dieser Schritt von allen beteiligten
Kreisen, namentlich von der Rübenzuckerindustrie, allmählich immer mehr
anerkannt werden wird. Daß auch hier, wie bei jedem Uebergangsstadium,
der Zuckerindustrie manche Nachteile erwachsen werden, bin ich weit ent-
fernt, zu bestreiten. In dieser Voraussicht haben die Regierungen auf der
Brüsseler Konferenz sich ernstlich bemüht, es durchzusetzen, daß die Zucker-
konvention erst am 1. September 1904 in Kraft trete, um der Zucker-
industrie durch eine längere Frist eine bessere Anpassung an die Konvention
zu gewähren. Die bezüglichen Bestimmungen unserer Kommissäre sind an
dem Widerstande der anderen Mächte gescheitert. (Der Reichskanzler ver-
liest eine Erklärung der Vorsitzenden der Konferenz und einen Meinungs-
austausch des englischen Vertreters mit seiner Regierung über den Termin
des Inkrafttretens, woraus hervorgeht, daß die englische Regierung ihren
Vertreter ausdrücklich ermächtigt hat, im äußersten Falle für 1903 zu
stimmen.) Wir glaubten umsomehr auf diesen Vorschlag eingehen zu sollen,
als unser Vorschlag, die Surtaxe zu erhöhen, von den anderen Mächten
angenommen worden ist. Die Erhöhung wird genügen, um den fremden
Zucker von uns fern zu halten. Die Herabsetzung der Verbrauchsabgabe
nach dem vorgelegten Zuckersteuergesetz ist eine Maßnahme, welche sicherlich
zur Hebung des inländischen Zuckerkonsums und damit zur Stärkung des
inländischen Zuckermarktes beitragen wird. Die Brüsseler Konvention ist
am 5. März unterzeichnet worden, und wir haben Ihnen diese Konvention
so rasch als möglich vorgelegt. Wir wollen diese Konvention weder übers
Knie brechen, noch durchpeitschen, wie in durchaus unbegründeter Weise
uns imputiert worden ist. (Heiterkeit.) Aber vor einer Verschleppung
dieser Vorlage werden wir warnen müssen. Eine solche Verschleppung
kann auch von keiner Seite beabsichtigt sein (Große Heiterkeit links), denn
sie würde niemand zugute kommen, wohl bber würde sie den Gedanken
hervorrufen, daß wir uns scheuten, auf dem von uns betretenen Wege
weiter zu gehen. Es würde dadurch eine Beunruhigung entstehen, die auf
die ganze weitere Behandlung der Materie im Inlande und Auslande
ungünstig einwirken und Mißtrauen gegen unsere Absichten hervorrufen
würde. (Zustimmung links.) Die internationale Beseitigung der Zucker-
prämien ist seit Jahren angestrebt worden. Das ist nun erreicht, wenn
auch nicht vollständig, so doch im wesentlichen. Wenn auch Rußland, die
Vereinigten Staaten und die englischen Kolonien der Brüsseler Konvention
nicht beigetreten sind, so ist sie doch einerseits unterzeichnet worden von
unseren Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt und anderseits hat Eng-
land hinsichtlich der Gleichstellung des Kolonialzuckers mit dem Zucker der
Vertragsstaaten wichtige Zugeständnisse gemacht. Die verbündeten Regie-
rungen haben geglaubt, die Verantwortung für ein Scheitern der Brüsseler
Konferenzen nicht übernehmen zu können. Sie haben die nach langer
mühevoller Arbeit in Brüssel vereinbarten Bedingungen angenommen in
der Ueberzeugung, daß, nachdem dadurch der freie Wettbewerb des Zuckers
auf dem Weltmarkt angebahnt worden ist, die deutsche Zuckerindustrie stark
genug sein wird, um fortan auch ohne Prämien zu gedeihen. Die Ver-
antwortung für das Zustandekommen der Brüsseler Konvention ruht nun-
mehr bei diesem Hause. Im Interesse der Gesundung und des Gedeihens
unserer Zuckerindustrie bitte ich Sie, der Brüsseler Konvention und dem
Zuckersteuergesetzentwurf ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall links.)
In der folgenden Debatte stimmen die Redner der Linken im all-
gemeinen dem Reichskanzler zu und verlangen sofortige Erledigung ohne
Kommissionsberatung, die der Rechten und des Zentrums verlangen Kom-