Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

118 Has Venutsche Reich und seine einjelnen Slieder. (Juli 21.) 
kanische und mexikanische Delegierte, die bereits vorher in London, Paris 
und im Haag Konferenzen besucht haben. Am 23. wird einstimmig fol- 
gender Beschluß gefaßt: 1. Die Einführung eines Goldvalutasystems in 
den Ländern mit Silberumlauf, bestehend aus Silbermünzen mit unbe- 
schränkter gesetzlicher Zahlungskraft, aber mit einem festen Goldkurs, würde 
die Entwicklung dieser Länder erheblich begünstigen und ihren Handel mit 
den Goldwährungsländern fördern, sowie die Gelegenheit zu gewinn- 
bringender Kapitalanlage in der ganzen Welt erweitern. 2. Die Ein- 
führung eines einheitlichen Geldumlaufs in China, bestehend aus Silber- 
münzen mit voller gesetzlicher Zahlungskraft, ist dringend erwünscht. Die 
Vorteile einer solchen Reform sowohl für China als auch für die Gold- 
währungsländer, würden ganz außerordentlich gesteigert werden, wenn es 
gelänge, den Kurs der Silbermünzen im Verhältnis zum Gold zu fixieren. 
Für die Erreichung des letzteren Zwecks erscheint es geboten, daß die Prä- 
ung der neuen Silbermünzen nicht freigegeben wird, und daß die chine- 
lischs Regierung zu Beginn der Reform alle diejenigen Maßnahmen er- 
greift, welche ihr eine Einwirkung auf die ausländischen Wechselkurse 
ermöglichen. 3. Wenn auch in den Ländern mit Silberumlauf der Kurs 
der Silbermünzen von dem Stande der nationalen Volkswirtschaft und 
ihren Beziehungen zu anderen Nationen abhängig sein wird, so ist es doch 
wünschenswert, daß ein einheitliches Ausmünzungsverhältnis von Gold- 
und Silbermünzen in solchen Ländern bestehe, welche künftig eine Gold- 
valuta annehmen, und daß dieses Verhältnis auf etwa 32 zu 1 festgesetzt 
wird, falls keine weiteren ernstlichen Veränderungen im Silberpreis ein- 
treten. 4. Die Schwankungen des Silberpreises würden durch eine ver- 
ständige Regelmäßigkeit in den Silberkäufen der Regierungen zu Münz- 
zwecken in gewissem Umfange eingeschränkt werden können. Eine solche 
Regelmäßigkeit würde erwünscht sein und wird den einzelnen Ländern 
empfohlen, soweit deren Münzgesetzgebung und monetäre Bedürfnisse nicht 
entgegenstehen. Dagegen wird zu diesem Zweck eine Aenderung der Münz- 
gesetzgebung der Goldwährungsländer, insbesondere die Einführung des 
internationalen Bimetallismus, weder beabsichtigt noch für aussichtsvoll 
gehalten. Ferner würde es im Interesse der Beständigkeit des Silber- 
preises erwünscht sein, wenn er in den Ländern, in welchen die industrielle 
Verarbeitung von Silber einer Steuer unterliegt, diese Steuer aufgehoben 
oder ermäßigt werden würde. 
21. Juli. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt 
über den Tod des Papstes: 
„Ein friedliebender Kirchenfürst, ein warmherziger Freund der Armen 
und Unterdrückten, ein feinsinniger Gelehrter ist mit Leo XIII. dahin- 
gegangen, dessen Name weit über den Kreis der katholischen Kirche mit 
dem Gefühl aufrichtiger Hochschätzung genannt wird. Unser Kaiser ver- 
ehrte in dem Entschlafenen einen persönlichen Freund. Die wiederholten 
Besuche des Kaisers legten für das gute Verhältnis zwischen den beiden 
ein beredtes Zeugnis ab. Beim Antritt des Pontifikates ging Papst Leo 
der Ruf voraus, daß er bestrebt sein werde, ein Friedenspapst zu sein. 
Diesen Ruf hat er dem Deutschen Reich gegenüber in richtiger Erkenntnis 
der wahren Interessen sowohl der Kirche wie der Staatsgewalt gerecht- 
fertigt. Unter seiner tätigen Mitwirkung gelang es, den Kulturkampf bei- 
zulegen und einen modus vivendi mit der katholischen Kirche zu finden, 
der sich bis heute bewährte. Schon vor 18 Jahren übertrug ihm das 
Vertrauen der deutschen Regierung das Amt des Schiedsrichters im Karo- 
linen-Streit mit Spanien. Wenn heute unter regem Anteil der katholi- 
 
	        
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