Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

II. 
Die österreichisch-ungarische Monarchie. 
1. Januar. (Pest.) Ministerpräsident v. Szell empfängt 
eine Abordnung der liberalen Partei und sagt über das Abkommen 
mit Österreich (vgl. 1902 S. 209): 
Ich komme soeben aus einer Schlacht; an mir klebt noch der Staub 
des Kampffeldes. Erst vor wenigen Stunden hat der große Kampf und 
die große Arbeit den Abschluß gefunden. Es gibt jedoch in diesem Kampf 
keinen Sieg und keine Niederlage; und doch hat es in diesem Kampfe einen 
Sieger gegeben. Sieger ist der Gedanke geblieben, daß zwei Staaten die, 
wie Ungarn und Oesterreich, durch die Gemeinsamkeit des Herrschers und 
durch unlösliche Bande verknüpft sind, richtig handeln, wenn sie bestrebt 
sind, auch die wirtschaftliche Gemeinsamkeit aubrecht zu erhalten, indem sie 
mit Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Interessen sich verständigen und 
eine billige Ausgleichung der Interessen versuchen. 
3. Januar. (Wien.) Beginn der deutsch-tschechischen Aus- 
gleichskonferenzen. (Vgl. 1902.) 
Auf Veranlassung des Ministerpräsidenten v. Körber treten die 
deutschen und tschechischen Abgeordneten mit Ausnahme der Alldeutschen zu 
einer Beratung der nationalen Angelegenheiten Böhmens und Mährens zu- 
sammen. Ministerpräsident v. Körber führt aus, die Regierung begrüße es 
dankbar, daß von deutscher wie tschechischer Seite wieder einer gemeinsamen 
Erörterung der Vorzug gegeben sei; denn die Regierung sehe in jeder 
solchen Begegnung eine Annäherung von großer moralischer Bedeutung 
selbst für den Fall, daß ein ganzer Erfolg nicht ohne weiteres erzielt 
werden sollte. Die Regierung werde dem Verlaufe der Konferenz mit ge- 
spanntestem Interesse folgen. Sie werde in einer für die Konferenz be- 
stimmten Denkschrift nachzuweisen suchen, daß die Austragung des deutsch- 
tschechischen Streites am besten schrittweise geschehe; nicht eine Erörterung 
der Prinzipien, sondern allein die Bekundung des Willens zum Frieden 
auf beiden Seiten könne die Entscheidung bringen. Bei ruhiger Arbeit 
werde unzweifelhaft eine zuverlässige Orientierung der Regierung sowohl 
in den Böhmen wie in den Mähren betreffenden Angelegenheiten erreicht 
werden. — Die Vertreter der Parteien sprechen sich sämtlich zurückhaltend aus. 
Nach den Vorschlägen, die der Minister der Konferenz nach einigen 
Tagen vorlegt, soll Böhmen in 10 Kreise eingeteilt werden, von denen 
5 tschechisch, 3 deutsch und 2 gemischtsprachig sein sollen. Von den 234 
Bezirksgerichten sollen 94 deutsch, 133 tschechisch und 7 gemischtsprachig
	        
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