Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 21.—23.) 105 
sammen, um auf dem Spiel der Wellen uns zu messen, die Kräfte, die 
Geister, die Mannschaften und unsere Boote. Wir vereinigen in wenigen 
Tagen fast alle Flaggen der Kulturvölker, es wird neben unseren Farben 
wehen Englands Flagge, das Sternenbanner, die Trikolore, in friedlichem 
Wettstreit und damit auch im Verein. Ich glaube bestimmt, Meine Herren, 
daß niemand unter Ihnen ist, der nicht mit Mir die Ansicht teilt, daß 
auch in der Kieler Woche diese Solidarität, von der Ich vorher sprach, 
gepflegt, gehegt, fester geschmiedet und fester geknüpft wird. Dieser Soli- 
darität verdankt es der Kaufmann, der Industrielle, der Ackerer, wenn er 
in ruhiger Arbeit sich fortschreitend entwickeln kann, denn er hat auf die 
Zukunft Vertrauen, und das ist die Hauptsache. Ich, Meine Herren, sehe 
mit absoluter Ruhe und Vertrauen in die Zukunft, fußend auf das Bild, 
das uns soeben entworfen wurde, und in diesem festen Vertrauen erhebe 
Ich Mein Glas und trinke auf die Zukunft, das Blühen und Gedeihen 
der Stadt Hamburg, des Norddeutschen Regattavereins und aller Jacht- 
klubs; die Stadt Hamburg hurral hurra! hurra! 
A. Juni. (Baden.) In der Zweiten Kammer erklärt auf 
eine Anfrage Kultusminister v. Dusch, die Regierung unterhandle 
noch mit der Kurie, unter welchen Bedingungen Klösternieder- 
lassungen zuzulassen seien. 
21. Juni. (Bayern.) Der Prinzregent lehnt ein Rücktritts- 
gesuch des Finanzministers v. Riedel ab. 
22. Juni. Die Bayerische Abgeordnetenkammer ge- 
nehmigt nach mehrtägiger Beratung das Lokalbahngesetz, das 
38700000   Mark für neue Bahnen bewilligt. 
Besondere Schwierigkeiten machte der Artikel 4 der Vorlage, wonach 
die finanzgesetzlichen Bestimmungen über die Maximalsätze der Tarife für 
Transporte auf den Staatsbahnen auf Bahnen von lokaler Bedeutung 
keine Anwendung finden sollen. Die Kommission hatte diesen Artikel ge- 
strichen, die Regierung erklärte das Gesetz ohne diesen Artikel für un- 
annehmbar, da sie die Tarifzuschläge auf den Lokalbahnen frei bestimmen 
wolle. — Abg. Wagner (lib.) beantragt, jenem Artikel einen Zusatz zu 
eben, wonach die Tarifzuschläge für die einzelnen Lokalbahnen in jeder 
Finanzperiode von neuem mit dem Landtage zu vereinbaren sein sollen. 
Ministerpräsident v. Podewils und Verkehrsminister v. Frauendorfer 
lehnen auch diesen Antrag ab. Infolgedessen wird der Antrag Wagner 
abgelehnt und das Gesetz mit Artikel 4 angenommen. 
W. Juni. Der Bundesrat lehnt die Münznovelle (S. 98) 
ab. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt darüber: 
„Bei seiner ablehnenden Beschlußfassung ging der Bundesrat ohne 
Zweifel in Uebereinstimmung mit der seitens der Reichsverwaltung schon bei 
den Reichstagsverhandlungen eingenommenen Haltung davon aus, daß die 
Frage der Prägung eines Dreimarkstückes zum mindesten nicht als spruch- 
reif angesehen werden könne, während die Umprägung der Fünfzigpfennig- 
stücke einen weiteren Aufschub nicht mehr duldete. Für die Annahme, 
daß der Bundesrat bei seiner Beschlußfassung sich von einer grundsätzlichen 
Abneigung gegen das Dreimarkstück habe leiten lassen, weil dieses nicht 
„in das Dezimalsystem passe“ oder „eine Konzession an die Bimetallisten 
darstelle, fehlt es an jedem Anhalt. Ueber die Frage einer brauchbareren
	        
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