Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 28.) 155
dem Grade der Erwerbsbeschränkung. Den Kapitulanten mit 12jähriger
Dienstzeit steht die Wahl frei zwischen dem Zivilversorgungsschein, einer
laufenden Geldentschädigung von 12 ℳ monatlich oder einer einmaligen
Abfindung von 1500 ℳ Für die vor einer 12jährigen Dienstzeit zum
Ausscheiden gezwungenen Kapitulanten ist eine besondere Rente vorgesehen,
welche ihnen den Uebertritt in den Zivildienst erleichtern soll. Die Voll-
renten der Kapitulanten entsprechen mit 900 ℳ für Feldwebel, 720 ℳ für
Sergeanten und 600 ℳ für Unteroffiziere, ebenso wie die Vollrente der
Gemeinen denjenigen Pensionsbeträgen, welche durch das Kriegsinvaliden-
gesetz im Jahre 1901 bei völliger Erwerbsfähigkeit als angemessen erachtet
worden sind. Die militärische Verstümmelungszulage ist beibehalten und
auf 27 ℳ monatlich erhöht.
28. November. Die Gesetzentwürfe über die Friedenspräsenz-
stärke und über die Wehrpflicht werden veröffentlicht.
Der Gesetzentwurf über die Friedenspräsenz verlangt eine Erhöhung
der aktiven Mannschaften um 10399 Mann.
Artikel I. § 1. Bom 1. April 1905 ab wird die Friedenspräsenz-
stärke allmählich derart erhöht, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 1909
die Zahl von 505839 Gemeinen, Gefreiten und Obergefreiten erreicht und
in dieser Höhe bis 31. März 1910 bestehen bleibt. Hieran beteiligt sich
Preußen und die zugehörigen Kontingente mit 392979 , Bayern mit 55424 ,
Sachsen mit 37711 und Württemberg mit 19725 Mann. Soweit Würt-
temberg diese Zahl nicht aufbringt, erfolgt ihre Ergänzung aus dem preu-
ßischen Kontingentsverwaltungsbezirke. Die Einjährig-Freiwilligen kommen
auf die Friedenspräsenzstärke nicht in Anrechnung. In offenen Unter-
offizierstellen dürfen Gemeine nicht verpflegt werden. § 2. In Verbindung
mit der Friedenspräsenzstärke wird die Zahl der vorhandenen Formationen
so vermehrt, daß am Schlusse des Rechnungsjahres 1909 bestehen: bei der
Infanterie 633 Bataillone, bei der Kavallerie 510 Eskadrons, bei der
Feldartillerie 574 Batterien, bei der Fußartillerie 40 Bataillone, bei den
Pionieren 29 Bataillone, bei den Verkehrstruppen 12 Bataillone und bei
dem Train 23 Bataillone. § 3. In den einzelnen Rechnungsjahren unter-
liegt die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke nach Maßgabe des § 1 und
die Verteilung der Erhöhung auf die einzelnen Waffengattungen, ebenso
wie die Zahl der Stellen für Offiziere, Aerzte, Beamte und Unteroffiziere
der Feststellung durch den Reichshaushaltsetat. Artikel II. Das Gesetz
kommt in Bayern nach der Bestimmung des Bündnisvertrages und in
Württemberg nach der Bestimmung der Militärkonvention zur Anwendung.
Die Mehrforderungen betragen 73913116 ℳ, wovon 11795646 ℳ
fortdauernde und 62117470 ℳ einmalige Ausgaben sind. Auf 1905 ent-
fallen an fortdauernden Ausgaben 1461581 ℳ und auf 1906 10334065 ℳ.
An einmaligen Ausgaben entfallen auf 1905 12642280 ℳ, auf 1906 bis
1911 494751904 ℳ
Der Gesetzentwurf über die Wehrpflicht streicht in seinem Artikel I
aus dem ersten Absatz des Artikels 59 der Reichsverfassung die Bestim-
mung, wonach die ersten drei Jahre des Dienstes beim stehenden Heere bei
den Fahnen zu leisten sind, fügt aber folgenden Absatz hinzu: Während
der Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heere sind die Mannschaften der
Kavallerie und der reitenden Feldartillerie die ersten drei, alle übrigen
Mannschaften die ersten zwei Jahre zum ununterbrochenen Dienst bei den
Fahnen verpflichtet. Artikel 2 des Entwurfs bestimmt: Im Falle not-
wendiger Verstärkungen können auf Anordnung des Kaisers die zu ent-
lassenden Mannschaften im aktiven Dienst zurückbehalten werden. Solche