Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 5. 10.) 165
streiche das Wort „verständig“ (Heiterkeit) — über unser Verhältnis zu
England denken. Das Urteil darüber, wann und wie ich es für richtig
und zweckentsprechend halte, die öffentliche Meinung anderer Länder zu
orientieren, behalte ich mir selber vor. Wenn aber Herr Bebel weiter ge-
sagt hat, ich hätte diese Auseinandersetzungen im Reichstage machen sollen,
so glaube ich, daß es wenige Minister des Aeußern gibt, die sich so oft
und so eingehend über auswärtige Fragen aussprechen wie ich, und ich
glaube, daß mir in dieser Beziehung ein begründeter Vorwurf nicht ge-
macht werden kann. (Zustimmung.) Ich bin aber nicht ein Feuerwerker,
der ein- oder zweimal jährlich aufzutreten hat, um zu einem bestimmten
Termin ein Feuerwerk abzubrennen. (Große Heiterkeit.) Wann und wie
ich über Fragen der auswärtigen Politik sprechen will, welche Zeitungen
ich mir aussuche, das hängt lediglich ab von dem, was ich im Interesse
des Landes für nützlich und zweckmäßig halte, und das bestimme ich selbst.
Der Grund, weshalb ich Mr. Bashford empfangen habe, als er den Wunsch
aussprach, mich zu sprechen, war die unverkennbare Tatsache, daß eine
gewisse Anzahl englischer Publizisten während der letzten Monate ihren
Platz in der englischen Presse benutzte, um Unkraut auf den Acker der
deutsch-englischen Beziehungen zu säen. Deswegen habe ich Anfang Sep-
tember Mr. Bashford empfangen, der dann Anfang November in der
„Nineteenth Century“ dies Interview veröffentlichte. Ich hielt es für
besser, einige besonders stachelige Disteln zu beseitigen, insbesondere die
Behauptung, wir hätten uns in die Tibetangelegenheit eingemischt, was
eine Lüge war. Ebenso, wir hätten den Huller Zwischenfall herbeigeführt,
was eine zweite, unverschämte Lüge war. Also ich habe mich bemüht,
derartige Unwahrheiten aus der Welt zu schaffen, da, wie Sie wissen, eine
publizistische Kampagne sich nicht erst seit gestern bemüht, die friedlichen
Beziehungen zwischen Deutschland und England zu stören. Sie werden
nicht von mir verlangen, daß ich auf alle hetzerischen Erzeugnisse dieser
publizistischen Kampagne hier eingehe. Wenn aber solche Hetzer zur Basis
ihrer Angriffe, ihrer Verleumdungen kann ich wohl sagen, die Annahme
nehmen, als wenn wir mit unserer Flottenpolitik Agressivpläne gegen Eng-
land verfolgten, und wenn zu meinem Bedauern sich über diesen Punkt
der Herr Abg. Bebel nicht mit der wünschenswerten vollen Klarheit und
apodiktischen Gewißheit ausgesprochen hat, dann frage ich Sie alle, die Sie
an unserem Flottenprogramm mitgewirkt haben, ob unsere Flotte nicht
nur rein defensive Zwecke verfolgt. Ich wiederhole ausdrücklich vor diesem
hohen Hause, ich kann mir nicht denken, daß der Gedanke eines deutsch-
englischen Krieges bei den vernünftigen Leuten in beiden Ländern ernst-
lichen Anklang finden würde. Von verschiedenen Seiten ist auch die Lage
der Dinge in Südwestafrika berührt worden. Als im vergangenen Jahre
die ersten Nachrichten über Südwestafrika bei uns eintrafen, habe ich von
dieser Stelle aus der Hoffnung und der Zuversicht Ausdruck gegeben, daß
das über Südwestafrika hereingebrochene Unglück das deutsche Volk und
seine Vertretung einmütig finden würde zum Schutze unserer bedrängten
Ansiedler, einmütig zur Wahrung der Ehre unseres Landes. Ich habe
gleichzeitig gesagt, daß wir nicht ruhen würden, bis die Aufrührer in ihre
Schranken zurückgewiesen wären. Ich habe gesagt, daß wir nicht daran
dächten, einen Fuß breit des Landes aufzugeben, auf dem deutsches Blut
geflossen ist, und wenn Herr Bebel es soeben als einen Fehler der gegen-
wärtigen deutschen Politik bezeichnet hat, da zu bleiben, wo wir sind, so
glaube und hoffe ich, daß die große Mehrheit des Volkes gerade der ent-
gegengesetzten Ansicht ist. (Beifall bei der Mehrheit.) Ich habe mich end-
lich bereit erklärt, die volle Verantwortung zu übernehmen für alle Truppen-