Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

180 Bie Merreichischungarische Menerchie. (Januar 13.—15.) 
die Anordnung betreffs Leitung und Führung der inneren Organisation 
der gesamten Armee ein dem Monarchen ausschließlich zustehendes persön- 
liches Herrscherrecht ist, das ohne Mitwirkung der verantwortlichen Regie- 
rung ausgeübt wird und bezüglich dessen die allgemeinen Grundsätze über 
Mitwirkung der gesetzlichen Faktoren keine Anwendung finden. 
In der weiteren Debatte teilt der Minister mit, daß die Entwürfe 
zur Einführung der zweijährigen Dienstzeit bereits fertig gestellt seien. 
13. Januar. (Ungarn.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt 
die Rekrutenvorlage in zweiter Lesung. 
14. Januar. (Ungarn.) Im Abgeordnetenhause erklärt 
Ministerpräsident Graf Tisza die Ausführungen Pitreichs über die 
Sprachenfrage (S. 179) für einwandfrei, wenn auch einzelne Aus- 
drücke staatsrechtlich unrichtig seien. 
15. Januar. (Ungarn.) Die katholische Volkspartei des 
Abgeordnetenhauses wendet sich durch folgenden Beschluß gegen die 
Regierung: 
„Da nach den Erklärungen des Kriegsministers v. Pitreich und der 
Enunziation des Ministerpräsidenten Grafen Tisza eine Entwirrung der 
Situation nicht zu erwarten ist, sieht sich die Partei veranlaßt, gegen das 
Kabinett Tisza, dessen Programm der Aufrichtigkeit entbehrt, den energisch- 
sten Kampf aufzunehmen.“ Gleichzeitig erklärt sie, daß sie die Vorlage 
über das Rekrutenkontingent nicht acceptiere. 
Januar. Erlaß des Reichskriegsministers an das Offizier- 
korps über die Erlernung einer zweiten Sprache außer der deutschen. 
Es heißt darin: Ist die Kenntnis der Muttersprache der Soldaten 
für Offiziere und Unteroffiziere schon derzeit von hervorragendstem Werte 
für den Dienst, die Ausbildung und für ein gedeihliches Zusammenwirken 
im Ernstfalle, so wird sie nach eventueller Einführung der zweijährigen 
Präsenzdienstpflicht zur unabweisbaren Notwendigkeit: denn während die 
kürzere Dienstpflicht naturgemäß nur im ungünstigen Sinne auf die Er- 
werbung von deutschen Sprachkenntnissen durch die Mannschaft einwirken 
kann, fordert sie gleichzeitig eine wesentlich intensivere Ausbildung, welche 
nur bei einem direkten Verkehr zwischen Instruktoren und Soldaten zu 
erreichen möglich wird. Die mindestens zum Dienstgebrauch genügende 
Kenntnis einer nichtdeutschen Sprache der Monarchie muß daher künftig 
im erhöhteren Maße wie bisher gefordert werden. In den Truppenkörpern 
mit Mannschaft nichtdeutscher Sprache haben die Oberoffiziere und Kadetten, 
wie dies schon normiert ist, die Regiments- (Bataillons-) Sprache, in den 
Truppenkörpern mit zwei Regimentssprachen eine derselben innerhalb dreier 
Jahre zu erlernen. Die Truppenkommandanten haben dafür zu sorgen, 
daß durch Aufstellung von Sprachkursen die Möglichkeit zur Erwerbung 
dieser Kenntnisse geboten werde. Aber auch in den Truppenkörpern mit 
nur deutsch sprechender Mannschaft müssen die Offiziere eine zweite Sprache 
der Monarchie in ausreichendem Maße kennen, und die Militär-Territorial- 
kommandanten haben wegen der Wahl der Sprache und Zuteilung von 
Offizieren und Kadetten in Sprachkurse das zweckdienlich Erscheinende zu 
verfügen. In den betreffenden Kursen ist die zu erlernende Sprache in 
vorwiegend praktischer Weise zu lehren; besonderes Gewicht ist auf eine 
entsprechende Auswahl der Lehrer zu legen und der Zeitpunkt der Unter-
	        
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