Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

184 Hie lstterreichisc-ugurische Monarchie. (Februar 23.—März 1.) 
einheitliche deutsche Kommando= und Dienstsprache sei unbedingt notwendig. 
Wer in der gemeinsamen Armee Offizier sein wolle, müsse sich deren Dienst- 
sprache aneignen. Ein Reserveoffizier allerdings brauche die deutsche Dienst- 
sprache nur soweit zu kennen, als zum Dienstgebrauche notwendig ist. 
Anderseits trat der Kriegsminister für die Ausbildung der Offiziere in 
ihrer Regimentssprache ein. In einsprachigen nichtdeutschen Regimentern 
ist ein Offizier, der diese Sprache nicht kennt, überhaupt nicht zu brauchen, 
in gemischtsprachigen Regimentern sei der Maßstab der Anforderungen 
größer oder kleiner, je nachdem das Deutsche mehr oder weniger vor- 
herrscht. Jeder Offizier könne seine Nationalität hochhalten, aber jeder 
müsse auch denken und handeln, wie es sich für Offiziere der gemeinsamen 
Armee geziemt. Bei den Unteroffizieren sei zu unterscheiden zwischen 
Front= und Rechnungs-Unteroffizieren. Zum Frontunteroffizier gehöre 
ein pflichttreuer, gesunder und kräftiger Mann, da sind die Bauernsöhne 
das beste Material, und da dürfe die Unkenntnis der deutschen Sprache 
kein Hindernis bilden; übrigens sollen die Unteroffiziere sich möglichst in 
der deutschen Sprache auszubilden trachten, und sie tun es auch, da sie 
wissen, welche Vorteile ihnen das gewähren kann. Die Zurückversetzung 
der ungarischen Offiziere nach Ungarn suche er nach Möglichkeit und all- 
mählich durchzuführen, nur dürfe das Gefüge der einzelnen Truppenkörper 
nicht plötzlich zerrissen werden. Die Masse der Zurückversetzungen werde 
in etwa drei Jahren durchgeführt sein, eine gewisse Zahl werde jedoch 
immer in Oesterreich bleiben. 
23. Februar. (Wien.) Debatte der ungarischen Delegation 
über die Heeresfrage. Polemik zwischen Tisza und Apponyi. 
Deleg. Graf Apponyi führt aus, daß er durch die angekündigten 
nationalen Reformen nicht befriedigt sei. Er halte an der Forderung der 
ungarischen Kommandosprache fest, ohne auf der sofortigen Durchführung 
derselben zu bestehen. Er erkenne übrigens an, daß der Kriegsminister 
aufrichtiger als bisher bemüht gewesen sei, den ungarischen Bestrebungen 
Rechnung zu tragen; aus politischen Gründen lehne er jedoch das Bupzet 
ab. M-listerpräftdeng Graf Tisza: Die Regierung habe die ehrliche Ab- 
sicht, das Programm der liberalen Partei durchzuführen und der ungari- 
schen Nation die gebührende Stellung in der Armee zu verschaffen; eine 
so abfällige Kritik, wie Graf Apponyi sie geübt habe, könne jedoch leicht 
den Wert der Reformen in den Augen der Ungarn herabsetzen. Apponyi 
sei auf eine schiefe Ebene geraten. Es wäre das größte Unglück, wenn die 
Nation auf die gleiche schiefene Ebene käme. (Bewegung.) Graf Apponyi: 
Graf Tisza sei durch einen Frontwechsel zur Macht gelangt, und habe 
selbst die ministerielle Tätigkeit mit einem Programme begonnen, das von 
anderen Politikern (Apponyi) zur Reife gebracht worden sei; Tisza habe 
kein Recht, ihn einer Inkonsequenz zu zeihen. Der Ministerpräsident er- 
widert, er habe stets das Programm der liberalen Partei gebilligt, jedoch 
nie in die maßlosen Forderungen eingewilligt. Er habe nie ein Geheimnis 
daraus gemacht, daß er die Regierung in einem Moment übernommen 
habe, in welchem er sich der Aufforderung der Krone nicht habe entziehen 
können. 
27. Februar. (Wien.) Schluß der Delegationen. Sämt- 
liche Budgets find genehmigt. 
1. März. (Ungarn.) Ministerpräsident Graf Tisza kündigt 
im liberalen Klub Maßregeln zur Bekämpfung der Obstruktion an:
	        
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