VI.
Frankreich.
7. Januar. (Luneville.) Der deutsche Reichstagsabgeord-
nete Delsor (kathol. elsässische Landespartei), der einen Vortrag
über religiös-soziale Fragen halten wollte, wird ausgewiesen. —
Die Ausweisung wird von Nationalisten und Klerikalen scharf
getadelt.
12. Januar. Die Kammer wählt folgendes Präsidium:
Brisson, Etienne, Lockroy, Gerville-Réache, Guillain. Der Sozialist
Jaures wird nicht wiedergewählt.
13. Januar. (Kammer.) 65 Mitglieder der sozialistisch-
radikalen Gruppe scheiden aus der Partei aus, weil diese die
Wiederwahl von Jaures verhindert hat. Sie bilden eine neue
Partei, die „Sozialistisch-radikale Linke“.
22. Januar. (Kammer.) Debatte über Elsaß-Lothringen.
In einer Interpellation über die Ausweisung Delsors wird der
Ministerpräsident Combes heftig angegriffen, weil in dem Ausweisungs-
befehl Delsor als „deutscher Untertan“ bezeichnet ist. — Nach längerer
Debatte genehmigt die Kammer mit 295 gegen 243 Stimmen ein Ver-
trauensvotum. Die nationalistische Presse greift diesen Kammerbeschluß
als eine Preisgebung Elsaß-Lothringens heftig an. (Vgl. S. 18.)
26. Januar. (Kammer.) Beratung über Eisenbahnpolitik.
In der Debatte über mehrere Anträge auf den Rückkauf der Süd-
und Westbahn erklärt Finanzminister Rouvier, es liege im Interesse des
Landes, daß der Betrieb der Bahnen in Privathänden unter der Kontrolle
des Staates bleibe. Die Verstaatlichung sei nicht unbedenklich. So sei
durch die Eisenbahnverstaatlichung in der Schweiz das Gleichgewicht im
Budget dieses Landes in Frage gestellt worden. Auch das Staatsregime
der preußischen Bahnen werde vielfach verurteilt. Der Rückkauf der Bahnen
würde eine außerordentliche Budgetforderung notwendig machen. Er könne
das nicht verantworten und dem Lande keine solche abenteuerliche Politik
zumuten.
Ende Januar. Die Kardinalerzbischöfe Richard (Paris),
Langenieux (Reims) und Coullié (Lyon) protestieren in einer Ein-