Frankreich. (November 8. 10.) 251
gegenzunehmen, er sei aber nicht ermächtigt gewesen, irgend jemand Aus-
eufte aus den Akten, wie sie in den verlesenen Briefen enthalten waren,
zu erteilen. Er sei mit diesen Briefen nicht einverstanden und spricht sich
tadelnd gegen derlei Machenschaften aus. Was die übrigen angeführten
Offiziere betreffe, die Auskünfte erteilt hätten, hätten diese sie ihren Logen
gegeben ohne irgend jemandes Vermittlung; diesen Offizieren sei keinerlei
Begünstigung zuteil geworden. Er hänge nicht an seinem Portefeuille;
angesichts der jetzt geführten Kampagne bleibe er auf dem Posten, um die
Republik zu verteidigen.
In der Debatte verteidigt die Linke André, der dem klerikalen
antirepublikanischen Regiment im Heere ein Ende gemacht habe. — Es
werden dann mehrere Tagesordnungen eingebracht; die von Combes
verworfene einfache wird mit 279 gegen 277 Stimmen abgelehnt. Wäh-
rend der Diskussion über eine andere Tagesordnung überfällt Abgeord-
neter Syveton (Nationalist) den Kriegsminister und betäubt ihn durch
mehrere Schläge ins Gesicht. Infolgedessen entsteht ein Handgemenge zwi-
schen Mitgliedern der Rechten und Linken. — Hierauf nimmt die Kammer
mit 343 gegen 236 Stimmen eine Tagesordnung an, die Kammer sei
überzeugt, daß es die Pflicht des republikanischen Staates sei, treue und
ergebene Diener des Landes gegen den Kastengeist und die Reaktion zu
Thuen, und zwar mit allen Mitteln einer regelmäßigen Kontrolle, über
die sie verfüge, und sie rechne darauf, daß die Regierung das Avancement
der Offiziere sicherstelle.
Die ganze Angelegenheit wird in der Presse lebhaft verfolgt. Die
nationalistischen Blätter stehen sämtlich im Gegensatz zur Regierung. Ein
Teil beglückwünscht Syveton; der „Figaro“ tadelt seine Handlung scharf:
seine Uebereilung habe die drohende Niederlage der Regierung in einen
Sieg verwandelt. — Die Regierungsblätter behandeln Sypeton als Feig-
ling und billigen die Handlungsweise der Regierung, die sich in der Not-
wehr gegen den Klerikalismus befinde.
8. November. Die Kammer beschließt mit 415 gegen 141
Stimmen, Syveton strafrechtlich verfolgen zu lassen. Vor Beginn
des Verfahrens endet Syveton, gegen den Denunziationen wegen
sittlicher Verfehlungen vorliegen, durch Selbstmord oder durch Er-
mordung (8. Dezember).
10. November. (Kammer.) Debatte über den Vertrag mit
England (S. 221). Beziehungen zu Deutschland.
Deputierter Jaureès (Soz.) begrüßt das Abkommen als eine Frie-
densbürgschaft und den Vorläufer eines weitergehenden Einvernehmens.
Gerade, weil das Abkommen dazu bestimmt sei, den Weltfrieden zu sichern,
dürfe über die Auslegung desselben kein Zweifel bestehen. Die Welt müsse
wissen, daß das französisch-englische Einvernehmen gegen niemand gerichtet
sei. Das Abkommen dürfe in keiner Weise die Beziehungen Frankreichs
zu Rußland, noch die zu Deutschland berühren. Die Frage eines Bünd-
nisses mit Rußland stese jetzt nicht zur Erörterung, sonst könnte man sich
über die Illusionen auseinandersetzen, zu denen vielleicht Anlaß gegeben
sei (Bewegung), und über die Gefahren, die es vielleicht in sich berge.
Frankreichs Abkommen mit anderen Ländern dürften keine aggressive Spitze
gegen irgend eine Macht haben. Frankreich sei von Deutschland ein
schweres Unrecht zugefügt worden und andererseits habe England die wirt-
schaftliche Konkurrenz Deutschlands zu fürchten. Es könnte nun jemanden