Bie Rämistze Kurie. (September 2.—Dezember 11.) 267
2. September. Vatikan und christliche Demokratie.
Der „Osservatore Romano“ schreibt offiziös: „In einigen Blättern
lasen wir, daß die auf dem Gebiet der christlichen Demokratie hervor-
getretene autonome Bewegung in den höheren kirchlichen Sphären Anklang
efunden habe. Um Irrtümer zu vermeiden, sind wir autorisiert, zu er-
Nren, daß das vorausgesetzte Wohlwollen und die Duldung absolut nicht
vorhanden sind, da die erwähnte autonome Bewegung nicht nur den Vor-
schriften des Heiligen Stuhles zuwiderläuft, sondern auch mit dem jüngst
veröffentlichten Rundschreiben des Vorsitzenden der zweiten Gruppe nicht
in Einklang zu bringen ist. — Das Komitee der christlichen Demokratie
erklärt, trotzdem an der bisherigen Politik festhalten zu wollen.
14. November. Der Papst hält eine Ansprache an das Kon-
sistorium über die Beziehungen zu Frankreich:
Die Kühnheit der Bösen ist bis zu dem Punkte gegangen, daß sie
öffentlich aus Schulen und Gerichtssälen das Bild dessen verjagt, welcher
der ewige Herr und Richter der Menschen ist. Was von allen der Kirche
dort bereiteten drückenden Beschwernissen am meisten Unsere Klagen recht-
fertigt, das sind die Hindernisse aller Art, die man gegen die Ernennung
der Bischöfe aufhäuft. Und Wir sehen, wie man noch schlimmere Pläne
schmiedet... Die Behauptung, der Vatikan habe das Konkordat ge-
brochen, sei falsch; die Kirche habe sich nichts vorzuwerfen. Kann der
Staat von sich dasselbe sagen? Der erste Artikel des Konkordats besagt,
daß die katholische Religion in Frankreich frei ausgeübt werden kann.
Läßt sich nun sagen, daß diese Freiheit heute besteht, wenn man den
Bischöfen untersagt, ohne Wissen der Regierung den Papst aufzusuchen oder
auch nur ihm zu schreiben, ihm, der höchsten Autorität und dem Hüter des
Katholizismus, wenn die römischen Kongregationen, die im Namen des
Papstes und auf Grund seiner Autorität vor den Augen und mit Wissen
aller Welt die Angelegenheiten der Universalkirche verwalten, Gegenstand
öffentlicher Beleidigungen werden, wenn man ihre Akte verwirft, ja wenn
man gar beinahe kaum die Akte des Papstes schont? Besteht die Freiheit,
wenn man offen zugibt, man wolle die Religion schwächen, indem man die
Stützen vernichtet, welche die göttliche Borsehung für ihre Kirche mit Rück-
sicht auf ihre Aufgabe erweckt hat? . .. Es sei nicht zu erwarten, daß
die Angriffe auf die Kirche aufhörten, aber der Papst werde sich nicht da-
durch zu Ungerechtigkeiten gegen die Republik verleiten lassen, die an sich
mit dem Katholizismus gut vereinbar sei.
8. Dezember. (Rom.) Schluß der Feiern zum 50jährigen
Jubiläum des Dogmas von der unbefleckten Empfängnis.
11. Dezember. Der Papst schafft das Vetorecht ab und be-
droht Kardinäle, die in einem künftigen Konklave als Vertreter
einer Regierung die „Esclusiva“ gegen einen Kardinal aussprechen,
mit kanonischen Strafen. (Vgl. 1903 S. 311.)