Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

300 RNußland. (Dezember 27.) 
27. Dezember. Ein Erlaß des Kaisers an den Senat über 
die staatlichen Reformen wird veröffentlicht: 
Nach dem heiligen Vermächtnis unserer gekrönten Vorfahren und 
unaufhörlich denkend an das Wohl der uns durch Gott anvertrauten Herr- 
schaft, betrachten wir bei der unabänderlichen Wahrung der Unerschütter- 
lichkeit unserer Reichsgrundgesetze als Aufgabe der Regierung die unermüd- 
liche Sorge für die Bedürfnisse des Landes, wobei wir alles den Interessen 
des russischen Volkes tatsächlich Entsprechende unterscheiden von den nicht 
selten irrtümlichen und durch vorübergehende Umstände beeinflußten Rich- 
tungen und werden wir, wenn sich das Bedürfnis von dieser oder jener 
Richtung als gereift erweist, und wir es für notwendig halten, an die 
Durchführung desselben herantreten, wenn auch die angeführte Umgestal- 
tung die Einführung wesentlicher Neuerungen in der Gesetzgebung hervor- 
rufen würde. Wir zweifeln nicht, daß die Verwirklichung eines solchen 
Unternehmens den Sympathien des wohlgesinnten Teiles unserer Unter- 
tanen begegnen wird, welcher das wirkliche Gedeihen des Vaterlandes sieht 
in der Unterstützung der staatlichen Ruhe und in der ununterbrochenen 
Befriedigung der täglichen Bedürfnisse des Volkes. Indem wir an die 
Spitze unserer Sorgen die Gedanken stellen über die allerbeste Ordnung 
des Daseins des die zahlreichsten Mitglieder aufweisenden Standes, des 
Bauernstandes, bemerken wir, daß gemäß unserer Anweisungen diese An- 
gelegenheit bereits unserer Beurteilung unterliegt und daß gleichzeitig mit 
einer detaillierten an Ort und Stelle ausgeführten Durchsicht der anfäng- 
lichen Absichten des Ministeriums des Innern jetzt Beratungen durch eine 
ausgewählte Anzahl der erfahrensten Personen der höchsten Verwaltung 
über die wichtigsten Fragen des Bauernlebens stattfinden, die auf Grund 
von Kenntnissen und Aeußerungen bei den Untersuchungen der allgemeinen 
Bedürfnisse des landwirtschaftlichen Gewerbes von einem örtlichen Komitee 
gewonnen werden. Wir befehlen, daß durch diese Arbeiten die Gesetze für 
den Bauernstand mit der allgemeinen Reichsgesetzgebung in Einklang ge- 
bracht werden, wodurch die Aufgabe einer dauernden Sicherheit dieses 
Standes erleichtert und dessen Angehörige durch Verordnung des Zar- 
Befreiers als vollberechtigte freie Landbürger anerkannt werden. Indem 
wir hiermit ein weites Gebiet und die fernsten Volksbedürfnisse überblicken, 
erkennen wir als unaufschiebbar zur regelrechten Festigung des Staates 
und des öffentlichen Lebens an: 1. daß wirksame Maßnahmen zum Schutze 
der vollen Kraft des Gesetzes als der wichtigsten Stütze des Thrones und 
des autokratischen Reiches ergriffen werden, damit seine unverletzliche, für 
alle gleiche Erfüllung für alle uns untergebenen Obrigkeiten und Orte als 
erste Pflicht angesehen wird, deren Nichterfüllung unvermeidlich eine gesetz- 
liche Verantwortung für jede willkürliche Handlung nach sich ziehen und 
den durch solche Handlungen geschädigten Personen die Mittel zur Er- 
reichung eines Rechtsspruches erleichtern würde; 2. daß den örtlichen und 
städtischen Einrichtungen eine möglichst weite Teilnahme in der Verwaltung 
der verschiedenen Seiten der öffentlichen Wohlfahrt überlassen wird, wozu 
wir ihnen die notwendige Selbständigkeit in den gesetzlichen Grenzen ver- 
leihen werden, und daß auf gleichartige Bedingungen zur Tätigkeit an 
diesen Einrichtungen Vertreter aller Teile der an den örtlichen Angelegen- 
heiten interessierten Bevölkerung berufen werden. Zur möglichst erfolg- 
reichen Befriedigung der Bedürfnisse derselben sollen außer den bisher be- 
stehenden Gouvernements-= und Kreis-Semstwos-Einrichtungen in engster 
Verbindung mit ihnen öffentliche Einrichtungen zur Verwaltung der lo- 
kalen Wohlfahrtsangelegenheiten in Bezirken kleineren Umfanges gebildet 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.