Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

306 Tũrkei. (September Anfang — November Ende.) 
Anfang September. In Wan finden blutige Kämpfe zwi- 
schen Armeniern und Türken statt. 
Ende September. Im zweiten und dritten Korpsbereich, 
Adrianopel und Salonichi, finden umfangreiche Entlassungen von 
Reserven statt. Viele Reservisten sind mittellos und verüben Plün- 
derungen. 
10. Oktober. (Konstantinopel.) Deutschland und die Türkei 
schließen eine Kabelkonvention. 
25. Oktober. Die erste Strecke der Bagdadbahn Konia-Eregli- 
Burgurlu wird eröffnet. Der Deutsche Kaiser beglückwünscht den 
Sultan und den Direktor der deutschen Bank dazu. 
Ende November. Über die makedonischen Reformen veröffent- 
lichen das Wiener „Fremdenblatt“ und der russische „Regierungs- 
bote“ identische Mitteilungen. Darin heißt es: 
Die Durchführung des Mürzsteger Programms begann im Januar 
dieses Jahres mit der Entsendung der zur Kontrolle der Reformaktion 
in den makedonischen Vilajeten berufenen Zivilagenten Oesterreich--Ungarns 
und Rußlands und mit der Heranziehung von Offizieren der Großmächte 
zur Reorganisierung der Gendarmerie. Die Tätigkeit der Zivilagenten 
hat sich praktisch in der Weise ausgebildet, daß sie in gemeinsamer Arbeit 
mit dem Generalinspektor Hussein Hilmi-Pascha einen umfassenden Einblick 
nicht nur in die Details des Reformwerks, sondern auch in das allgemeine 
Funktionieren des Verwaltungsapparats gewonnen haben und in der Lage 
sind, nach mancher Richtung hin eine fühlbare Kontrolle auszuüben. Die 
einheimischen Kreise — in erster Linie die Christen — wenden sich in allen 
möglichen Angelegenheiten mit Bitten und Beschwerden an die Zivilagenten, 
welche ihrerseits diese Anliegen in einem möglichst abgekürzten Verfahren 
mit dem Generalinspektor zur Austragung bringen. Im ersten Halbjahre 
sind rund 600 derlei Reklamationen der Erledigung zugeführt worden, 
aus denen sich übrigens auch mannigfache Anregung zu organisatorischen 
Neuerungen schöpfen ließ. Das Gefühl, daß durch die jüngste Reform- 
aktion ein Umschwung der Dinge angebahnt wurde, der allen berechtigten 
Interessen Schutz zu gewähren und ein Regime einseitiger Vergewaltigung 
unmöglich zu machen verspricht, hat bei der Bevölkerung durch die Be- 
rufung der fremden Offiziere eine merkliche Kräftigung erhalten. Diese 
Herren, der Elite ihrer Armeen entnommen und mit besonderer Rücksicht 
auf ihre schwere Mission ausgewählt, haben sich bereits über das Land 
verteilt, bereisen dasselbe und bringen eventuell von ihnen beobachtete Miß- 
stände zur Kenntnis der Zivilagenten. Die allgemeine Lage im Lande hat 
sich, wie jede unbefangene Beobachtung zugeben muß, im Vergleiche zur 
letztvorhergegangenen Periode zusehends gebessert. Es wäre müßig, unter- 
suchen zu wollen, wie viel hiervon ausschließlich auf Rechnung der Reform- 
aktion zu setzen ist. Unzweifelhaft haben auch andere äußere Umstände 
wesentlich dazu beigetragen, die Besserung der Lage herbeizuführen. Von 
den Flüchtlingen, welche während der letzten zwei Aufstandsjahre in Bul- 
garien eine Zuflucht gesucht hatten, waren bis zum August dieses Jahres 
nach den drei makedonischen Vilajets (Adrianopel nicht eingerechnet) über 
6000 Personen, d. i. 86 Prozent der Gesamtzahl, in die Heimat zurück- 
gekehrt. Der Zuzug hält noch an und dürfte voraussichtlich zu einer 
 
	        
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