Das Deutsche Reich und seine einfelnen Glieder. (Februar 15./16.) 25
narium zur Unterstützung für die Beteiligung der deutschen Kunst an inter-
nationalen ausländischen Ausstellungen besprochen. Abg. Spahn (Z.) be-
spricht den Streit, den die Verwendung dieser Summe in der Künstler-
schaft hervorgerufen habe; offenbar sei der sezessionistischen Richtung durch
die maßgebenden Berliner Instanzen nicht ganz Recht widerfahren. — Am
folgenden Tage führt Abg. Singer (Soz.) aus, die Sezession vertrete die
naturalistisch-realistische Weltauffassung und schildere die Wirklichkeit; des-
halb sei sie beim Kaiser unbeliebt, weil sie das Leben des Volkes darstelle.
Abg. Henning (kons.) bedauert, daß die deutsche Kunst in Amerika nur
einseitig vertreten werden würde.
Staatssekretär Graf Posadowsky: Ich kann für mich persönlich
sagen, daß niemand so kühl wie ich dem Streite der verschiedenen Kunst-
richtungen gegenübersteht. Ich habe in der Kommission ausgeführt, daß
allerdings Sezessionistisches besteht, das entschieden abstoßend wirkt, von
einer gewissen extravaganten Auffassung zeugt und mindestens ebenso aus-
sieht wie eine hohle Konventionsmalerei, nur daß diese dem Beschauer
vielleicht gleichgültig ist. Ich habe ferner erklärt, daß ich den Eindruck
habe, als ob die Sezession bereits eine Masse von Extravaganzen abge-
stoßen hätte und als ob die Alten auch von der Sezession gelernt hätten.
Eine Einigung zwischen den beiden Parteien wird kaum möglich sein, nach-
dem der äußerste Flügel der Sezession erklärt hat, die Maler der alten
Schulen könnten ja nicht einmal ordentlich sehen, was sie malen, und der
äußerste Flügel der älteren Schule äußerte, die Sezessionisten seien Maler,
die sich weder Zeit noch Mühe geben wollen, wirklich zu malen. Der Unter-
schied liegt darin, daß die Sezession keine Schule, keine Richtung, sondern
nur die Individualität gelten lassen will. Es wurde hier die Sache so
dargestellt, als hätte man die Sezession von der Beteiligung an der Welt-
ausstellung in St. Louis überhaupt ausschließen wollen; das ist urkundlich
unrichtig. Bei früheren Ausstellungen hat man den Raum so verteilt,
daß man ihn nach der Elle vermessen hat, das wäre meines Erachtens ein
verkehrtes Verfahren. In der Keßlerschen Broschüre steht, die einzelnen
Bundesstaaten könnten nur nach Maßgabe der zahlreichen Künstler be-
handelt werden. Diesen Standpunkt teile ich nicht. Nach meiner be-
scheidenen Kunstauffassung glaube ich, daß die Güte der Kunst maßgebend
sein muß. (Sehr richtig!) Aber weil die Verteilung des Raumes zu er-
heblichen Bedenken Anlaß gibt, hat man dieses Verfahren verlassen wollen.
Der Reichskommissär hat eine Kommission nach Berlin berufen, und auf
Grund der Beratungen derselben ist man mit den verbündeten Regierungen
über die Frage in einen Meinungsaustausch getreten. Es hat sich ergeben,
daß sich die große Organisation der Künstlergenossenschaft diesem Verfahren
gegenüber absolut ablehnend verhalten hat, und ferner das praktische Be-
denken, daß es kaum möglich ist, ohne eine solche, über ganz Deutschland
sich erstreckende Organisation überhaupt ein so schwieriges Werk, wie die
Beschickung der Kunstausstellung in St. Louis, zustande zu bringen. Aus
diesen Gründen hat man den ersten Gedanken verlassen und als Auskunfts-
organ die Kunstgenossenschaft gewählt, aber mit der ausdrücklichen Be-
stimmung, daß irgend eine Kunstrichtung grundsätzlich nicht ausgeschlossen
werden solle. Nun ist verlangt worden, daß die Mitglieder der ersten
Berliner freien Kommission als Mitglieder in dem betreffenden Lokal-
komitee gelten sollten. Am 5. Oktober hat der offene Konflikt begonnen,
die Wünsche des Lokalkomitees nach eigenen Räumen und eigener Jury
wurden abgelehnt. Der Berliner Lokalverein hat damit geantwortet, daß
er nun die Beteiligung an der Ausstellung ablehnte. In einer Besprechung
des Lokalvereins Berlin 1 am 11. November über die Tätigkeit der Lokal-