26 Mas Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 18.)
jury, die überwiegend sezessionistisch ist, ist beschlossen worden, daß sie be-
rechtigt sein soll, 50 Prozent der Gesamtzahl der auszustellenden Werke
anzunehmen, während die Zentraljury nur mit einer Majorität von vier
Fünftel der abgegebenen Stimmen diese Werke sollte ablehnen können.
Das beweist, daß von einer Majorisierung der Sezessionisten bei der Or-
ganisation nicht die Rede sein kann. Die Sezession hat sich der Zentral-
jury nicht unterwerfen wollen, nicht weil man sie majorisieren wollte, son-
dern weil sie sich nicht denjenigen unterwerfen wollte, die der alten Rich-
tung angehören. Der Kampf ist ein geistiger Kampf und muß auf rein
geistigem Gebiete ausgekämpft werden; St. Louis ist dazu nicht der ge-
eignete Ort. Die Reichsregierung ist weder verpflichtet noch berechtigt ge-
wesen, bei dieser Gelegenheit den Kampf der Künstler und Geister zu ent-
scheiden. Die Sezessionisten wollen nicht das gleiche Stimmrecht aller, wie
in der alten Künstlergenossenschaft, sie wollen mehr. Das Deutsche Reich
muß draußen durchaus einheitlich auftreten, und es wäre keine einheitliche
Ausstellung, wenn man eine bestimmte Anzahl von Sälen einer ganz be-
stimmten Kunstrichtung eingeräumt hätte. Die Sezessionisten konnten aus-
stellen, ohne befürchten zu müssen, majorisiert zu werden. Auch im Schoße
der verbündeten Regierungen hat über diese Frage eine recht verschiedene
Auffassung geherrscht. (Hört! Hört! links.) Die verbündeten Regierungen
haben es aber doch schließlich als praktisch anerkannt, daß man bei der
Kürze der Zeit eine grundsätzliche Aenderung im letzten Augenblick nicht
mehr vornehmen könne. Hier liegt eine entschiedene Tatsache vor. Man
hat die Beteiligung der sezessionistischen Richtung nicht ausgeschlossen. Sie
hat sich selbst ausgeschlossen.
Abg. Graf Orioloa (nl.) ist trotz dieser Ausführungen der Meinung,
daß bedauerliche Dinge vorgegangen seien. Insbesondere müßten die Aeuße-
rungen des preußischen Akademiedirektors v. Werner über die Sezessionisten
zurückgewiesen werden. Die Sezession könne sich nicht an der Ausstellung
beteiligen, weil sie das Vertrauen zur Kunstgenossenschaft verloren hätte.
Abg. v. Kardorff (RP.): Das Vorgehen der Regierung sei höchst be-
dauerlich; die Leistungen der maßgebenden preußischen Kunst seien von
sehr geringem Werte. Es sei zu hoffen, daß die Sezession den Druck, der
durch den Ausschluß von der Weltausstellung auf sie ausgeübt worden sei,
überwinden werde. — Die Forderung wird bewilligt.
In der Presse findet die Regierung nirgends Zustimmung. Der
„Reichsbote“ schreibt, die harte, einseitige Behandlung der Kunst, nament-
lich der Malerei, habe die ganze gebildete Nation gegen sich. Die „Schles.
Ztg.“ wünscht, „daß die Reichsregierung sich wieder in freundliches Ein-
vernehmen setzt mit den Bundesstaaten, die mit Recht verstimmt sind über
den Versuch, ihnen durch die Diktatur bes Herrn v. Werner preußischen
Geschmack aufzuzwingen.“
18. Februar. (Baden.) Erklärung der Regierung über die
Verfassungsrevision (S. 20).
Der Minister des Innern erklärt in der Verfassungskommission der
Zweiten Kammer, die Verfassungsrevision mit der Einführung des direkten
Wahlrechts werde von der Regierung nur bei Erweiterung des Budget-
rechts der Ersten Kammer durchgeführt werden. Bei der Ablehnung dieses
notwendigen Gegengewichts sei für die Regierung die Frage der Verfassungs-
revision wohl auf Jahre erledigt.
18. Februar. Der Kaiser benachrichtigt den Kaiser von Ruß-
land und den Kaiser von Japan, daß die deutschen Lazarette in