Des Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 20.—22.) 29
jenigen Eltern, die zum Besuche eines bei der Truppe schwer erkrankten
Sohnes reisen, im Bedürfnisfall Reisekostenvergütung gewährt werden
möchte; 5. daß bei Vergebung der Geschütz- und Waffenlieferungen die
Bedingung der Einhaltung der Sonntagsruhe gestellt werden solle, und
6. daß die Lohnsätze der bei der Heeresverwaltung beschäftigten Arbeiter
hinter der üblichen Entlohnung in den gewerblichen und landwirtschaft-
lichen Betrieben nicht zurückbleiben dürfen.
20. Februar. (Baden.) Finanzminister Dr. Adolf Buchen-
berger †.
Geboren 18. Mai 1848 in Mosbach, 1874 Regierungsassessor, 1881
Ministerialrat, 1893 Präsident des Finanzministeriums, 1899 erhielt er den
Titel Minister. Er ist auch wissenschaftlich hervorgetreten; seine Hauptwerke
sind: „Das Verwaltungsrecht der Landwirtschaft und die Pflege der Land-
wirtschaft im Großherzogtum Baden“ und „Agrarwesen und Agrarpolitik“.
21. Februar. (Kassel.) Es bildet sich ein Verband der
preußisch-hessischen Staatseisenbahnvereine, der unter Ausschluß von
Politik die Schaffung gemeinschaftlicher wirtschaftlicher Einrichtungen
bezweckt.
22. Februar. (Berlin.) Kommissare der preußischen, säch-
sischen und süddeutschen Regierungen beraten mit Vertretern der
Reichseisenbahnverwaltung über Vereinfachung des Güterverkehrs.
Februar. In der Presse wird über die langsamen Fort-
schritte der Reichstagsberatungen geklagt; so schreibt die „Kölnische
Volkszeitung“:
„Nur noch 27 Beratungstage stehen dem Reichstage zur Verfügung,
um den Etat vor dem 1. April zu erledigen, und von diesen werden die
drei letzten, also der 21., 22. und 23. März, auf die dritte Lesung zu
rechnen sein. In den übrig bleibenden 24 Sitzungen muß die zweite Lesung
von sieben Etats zu Ende geführt werden, darunter die großen, stets lange
Verhandlungen erfordernden Etats der Justiz, des Militärs, der Marine,
der Kolonien, des Reichskanzlers und des Auswärtigen Amtes. Wenn so
weiter geredet wird, wie bisher, würde keine Hoffnung mehr sein, den
Etat rechtzeitig zu verabschieden.“
Februar. Zentrum und Polen.
In der polnischen Fraktion des Reichstags und Abgeordnetenhauses
treten mehrfach Vertreter radikal-polnischer Anschauungen, die bei den Wahlen
das Zentrum bekämpft haben, als Redner auf. Die „Germania“ sieht
hierin eine Kriegserklärung an das Zentrum: „Die moralische und poli-
tische Verantwortung für diesen Bruch eines dreißigjährigen freundschaft-
lichen Verhältnisses zwischen der Zentrumsfraktion und der Polenfraktion
fällt allein der letzteren zu. Wir bedauern unsererseits, daß es zu diesem
von polnischer Seite gewollten Bruch gekommen ist; wir bedauern aber
auch, daß die radikale Richtung unter den Polen, wie sie durch Leute vom
Schlage der Korfanty, Kulerski und Brejiski vertreten wird, geradezu un-
heilvoll für die polnische Bevölkerung werden muß. Diese radikal-polnische
Demagogie, welche die kirchliche wie die weltliche Autorität in gleicher
Weise angreift und mißachtet, wird dem polnischen Volke nicht zum Heil,
sondern zum Unglück werden.“