46 Das Deutsche Reich und seine einelnen Glieder. (März 7.9. 8.)
Einnahme von 1½ Milliarden einstellen können; 1879 hatten wir nur
163 Millionen Einnahmen. Am 1. April d. J. kann unsere Staatseisen-
bahnverwaltung ihr 25jähriges Jubiläum feiern. Im Jahre 1879 wurde
die preußische Eisenbahnpolitik vom Fürsten Bismarck eingeleitet, um erstens
ein einheitliches Eisenbahnnetz zu schaffen, zweitens durch Uebernahme der
gewinnbringenden Bahnen auch unrentable Meliorationslinien bauen zu
önnen, und drittens, um die Einnahmen aus den Eisenbahnen nicht ein-
zelnen Kapitalisten, sondern dem gesamten Staate zukommen zu lassen,
damit dieses öffentliche Verkehrsinstitut nicht im Interesse einzelner aus-
gebeutet werden könnte. Unsere Betriebslänge betrug 1879 6104 km, jetzt
beträgt sie 33767 km, die Einnahmen betrugen 1879 163,8 Millionen,
jetzt 1517 Millionen, die Ausgaben 1879 102 Millionen, jetzt 929 Millionen,
der Ueberschuß betrug 1879 61 Millionen, jetzt 587 Millionen; die Rente
des Anlagekapitals ist von 4,3 v. H. auf 7 v. H. gestiegen. Dabei ist der
Durchschnittsbetrag der Einnahme für das Personenkilometer wie für das
Tonnenkilometer ermäßigt worden. Hätten wir noch die Personentarife
und Gütertarife von damals, so hätten wir jetzt ein Plus an Einnahmen
von 135 Millionen beim Personenverkehr und von 142 Millionen beim
Güterverkehr, und hätten wir all die vermehrten Ausgaben nicht gemacht,
so hätten wir ein Plus von 383 Millionen.
7.9. März. (Berlin.) Heimarbeiterschutzkongreß. Die Aus-
beutung, der die Heimarbeiter unterliegen, mit ihren sittlichen und
hygienischen Folgen wird geschildert. An dem Kongreß, der von
Sozialdemokraten einberufen ist, nehmen weder die christlichen Ver-
bände noch Regierungsvertreter teil; bürgerliche Sozialpolitiker sind
anwesend.
8. März. Der Bundesrat stimmt dem Beschlusse des
Reichstags, den § 2 des Jesuitengesetzes aufzuheben, zu. (Vergl.
1902, 1903.)
Der aufgehobene § 2 lautet: „Die Angehörigen des Ordens der
Gesellschaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen
Kongregationen können, wenn sie Ausländer sind, aus dem Bundesgebiete
ausgewiesen werden; wenn sie Inländer sind, kann ihnen der Aufenthalt
in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden.“
Das Gesetz betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu hat nunmehr
folgende Gestalt: „§ 1. Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm ver-
wandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiete des
Deutschen Reiches ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen der-
selben ist untersagt. Die zur Zeit bestehenden Niederlassungen sind binnen
einer vom Bundesrate zu bestimmenden Frist, die sechs Monate nicht über-
steigen darf, aufzulösen. § 3. Die zur Ausführung und zur Sicherstellung
des Vollzugs dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen werden vom Bundes-
rate erlassen."“
Am 8. März wird das Gesetz vom Kaiser vollzogen und am 11.
durch Publikation in Kraft gesetzt. — An das Gesetz knüpft sich eine leb-
hafte Preßdebatte über die Jesuiten und über die Frage, welche Staaten
im Bundesrate die Majorität gebildet haben. Als bekannt wird, daß
Baden für die Aufhebung gestimmt hat, führen die „Leipziger Neuesten
Nachrichten“ diese Wendung der badischen Regierung auf den Einfluß der
Großherzogin zurück, die dabei von dynastischen Rücksichten geleitet werde. —