56 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 16.)
soll das Vaterland durch die Jesuiten in Gefahr sein? (Zustimmung im
Zentrum.) Die Jesuiten haben ihre Aufgabe wesentlich im Auslande. Die
Regierung hat sich den Dank verdient, daß sie den § 2 aufhebt, der die
Jesuiten schlechter stellte als die Sozialdemokraten. (Beifall im Zentrum.)
Mit der Aufhebung der fünf Erlasse ist selbst Herr Hackenberg einverstanden.
Wir sind dem Minister dankbar, daß er die alten Erlasse revidiert hat;
wir hätten gewünscht, daß die ganzen alten Falckschen Erlasse aufgehoben
würden, aber ich verstehe auch eine gewisse Zurückhaltung der Regierung.
Ich will ihr nicht zu sehr danken, sonst sagt wieder jemand, die Bevölke-
rung werde beunruhigt. Herr Hackenberg sagt, die Frage müsse vom päda-
gogischen Standpunkt angesehen werden. Ganz falsch, denn es kommt
darauf an, daß die Kinder zum Himmel geführt werden, nicht darauf,
daß die richtigen pädagogischen Grundsätze angewendet werden. (Heiterkeit.)
Die religiöse Erziehung ist Sache der kirchlichen Oberen, es fragt sich also
lediglich, wie diese über die Marianischen Kongregationen denken, und sie
haben sie immer auf das wärmste empfohlen und von der Regierung immer
die volle Freiheit für sie verlangt. Um Ideale können wir uns mit Herrn
Hackenberg nicht streiten; wir verbitten uns ein Eingreifen in unsere inner-
kirchlichen Dinge. (Lebhaftes Oho! bei den Nationalliberalen.) Gewiß,
wir sind sehr unangenehm berührt durch die Worte des Herrn Hackenberg
über die Marianischen Kongregationen, und es ist mir unangenehm, hier
gewissermaßen als Angeklagter zu stehen und die Kongregationen verteidigen
zu müssen gegen Herren, die kein Verständnis dafür haben. (Lebhafter
Widerfpruch bei den Nationalliberalen.) Gewiß, denn wenn Sie Verständnis
dafür hätten, würden Sie katholisch werden. (Große Heiterkeit.) Der Erlaß
des Ministers enthält alle möglichen Kautelen, die pädagogischen Grund-
sätze sind vollkommen gewahrt. Herr Hackenberg sagt, es werde durch die
Kongregationen die Ueberhebung der Schüler hervorgerufen. Wer sich
überhebt, hat den Zweck der Kongregation nicht erreicht, denn die Haupt-
aufgabe derselben ist gerade die Demut. Die Marianischen Kongregationen
stehen mit den Jesuiten in gar keiner Beziehung mehr; es wird also keine
Verbindung der Schuljugend mit dem Jesuitenorden herbeigeführt. Man
muß es den Eltern überlassen, ob sie ihre Kinder in die Kongregationen
geben wollen oder nicht. Nach einem Bericht der Schlesischen Zeitung
haben der Oberpräsident und andere Behörden an dem Jahresfest eines
evangelischen Jünglingsvereins teilgenommen. Uns kann dergleichen nicht
passieren, denn wir haben ja keinen katholischen Oberpräsidenten. In einem
vorwiegend evangelischen Jünglingsverein, dem auch 40 katholische Jüng-
linge angehören, sind diese schließlich übergetreten, so daß der Verein dann
einen rein evangelischen Charakter hatte. Was würde man sagen, wenn
in einer Kongregation ein evangelischer Schüler überträte! Herr Hacken-
berg hat friedliche Worte gesprochen, aber die Religionslehrerversammlung
in Sachsen hat Grundsätze aufgestellt, die den konfessionellen Unfrieden
bedeuten. Ohne jeden Pharisäismus kann ich sagen, daß kein katholischer
Religionslehrer sich jemals solchen Grundsätzen anschließen würde. Wir
sind von dem Bewußtsein durchdrungen, daß die Einheit der christlichen
Konfessionen im Interesse des Vaterlandes durchaus notwendig ist. Wir
beten an verschiedenen Altären, aber wir wollen ungestört an diesen Altären
beten. (Beifall im Zentrum.) Was von unserer Seite geschehen kann, die
Kluft zwischen den Konfessionen nicht zu erweitern, soll geschehen. Aber
lassen Sie es nicht bloß bei schönen Worten bewenden. Was die Wirk-
samkeit der Kongregationen an Schulen betrifft, so würden wir dankbar
sein, wenn die Direktoren darüber wachen und regelmäßig Bericht darüber
erstatten würden. Vielleicht wäre es auch manchem Direktor ganz gut,