Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 10.) 85
im Widerspruch steht. In den Provinzen Ostpreußen und Schlesien und
den Regierungsbezirken Frankfurt, Stettin und Köslin findet diese Vor-
schrift sinngemäße Anwendung. Wird die Bescheinigung versagt, so findet
nur die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt, der endgültig entscheidet.
Vorstehende Vorschriften greifen nicht Platz, wenn es sich um die einmalige
Teilung eines Grundstückes zwischen gesetzlichen Erben oder um die ein-
malige Ueberlassung eines Grundstückes im Wege der Teilung seitens der
Erben an ihre Kinder handelt.
Abg. v. Conrad (frk.) ist für das Gesetz, weil es die deutschen
Ansiedlungen begünstige. Die Vergrößerung des polnischen Großgrund-
besitzes sei vornehmlich auf die Tätigkeit der Landbank zurückzuführen.
Abg. Glatzel (nl.) ist aus denselben Gründen für die Vorlage und sieht
im § 13b ein Mittel, der Preistreiberei ein Ende zu machen, die jetzt
unter der Konkurrenz der Ansiedlungskommission und der polnischen Land-
bank herrscht. Abg. Roeren (Z.): Das Gesetz sei durch den § 13b ein
Ausnahmegesetz gegen die Polen und somit eine Verfassungsverletzung. Auch
mit der Reichsverfassung stehe das Gesetz im Widerspruch, denn sie garan-
tiere den Erwerb von Grundstücken allen Reichsangehörigen. Außerdem
bringe das Gesetz die größten Härten mit sich; es werde den polnischen
Bauernstand ruinieren. Infolgedessen würden die Bauern in die Städte
ziehen und hier den Deutschen noch viel gefährlicher werden. Ein Teil
werde den Deutschen in Handel und Gewerbe Konkurrenz machen, der
andere werde dem Proletariat anheimfallen und die Sozialdemokratie ver-
mehren. Minister des Innern Frhr. v. Hammerstein: Das Gesetz wider-
spreche der Verfassung nicht, denn ein unbeschränktes Ansiedlungsrecht be-
stehe nicht. Z. B. habe nicht jeder Preuße das Recht, sich auf dem Pariser
Platz in Berlin anzusiedeln. Die polnische Kolonisation solle nicht ver-
boten, sondern nur kontrolliert werden. Abg. v. Skarzynski (Pole): Das
Gesetz enthalte ein Ansiedlungsmonopel für die Ansiedlungskommission; es
würde die östlichen Provinzen entvölkern und die Polen zu unversöhnlichen
Feinden des Preußentums machen. Landwirtschaftsminister v. Podbielski:
Die Vorlage trägt naturgemäß den Charakter des Ausnahmegesetzes, aber
sie war für die Regierung unbedingt notwendig. Wir mußten gegen die
Güterschlächtereien, die hauptsächlich von den Parzellierungsbanken in-
szeniert worden sind, einschreiten. Es handelt sich nicht um die Bankerott-
erklärung der Ansiedlungskommission. Diese kann die Konkurrenz der
polnischen Ansiedlungsbanken sehr wohl aushalten. Das Schwergewicht
bei den Ansiedlungen ist die Regelung der öffentlichrechtlichen Verhältnisse.
11. Mai. Abg. v. Heyking (kons.): Wenn das Gesetz ein Abströmen
der ländlichen Bevölkerung in die Städte zur Folge haben werde, würde
es für das Deutschtum nicht schädlich sein; denn in diesem Falle würde
der deutsche Landmann den deutschen Handwerker besser als bisher unter-
stützen können; jetzt werde er von den polnischen Bauern boykottiert.
Abg. Träger (fr. Vp.) lehnt das Gesetz als verfassungswidrig ab. Justiz-
minister Schönstedt: Man beruft sich auf das durch die Reichsverfassung
festgelegte Reichsindigenat. Ganz zu Unrecht. Der ganze Artikel hat für
die vorliegende Frage keine Bedeutung. Er spricht nichts anderes aus,
als die Gleichstellung der nichtpreußischen Bundesangehörigen mit den
preußischen, und in dem Nachsatz, daß kein Deutscher bei dem Erwerb von
Grundstücken durch die Obrigkeit seiner Heimat oder eines anderen Bundes-
staates beschränkt werden darf, wird nichts weiteres ausgesprochen, als die
praktische Schlußfolgerung des ersten Satzes, das nämlich die Verwaltungs-
behörde nicht berechtigt ist, dieses Recht durch Verwaltungsmaßnahmen zu
beschränken. Selbstverständlich sind alle Reichsangehörigen beim Erwerb