Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

130 Das Peruisze Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 5. 7.) 
5. Juli. (Heidelberg.) Der Philosoph Wirkl. Geh. Rat 
Professor Kuno Fischer f. — Geboren 1823 in Sanderwalde, 
Schlesien, seit 1879 Professor in Heidelberg. Hauptwerk: Geschichte 
der neueren Philosophie. 
Juli. Der Dreibund wird stillschweigend verlängert. 
7. Juli. (Sachsen.) Die Regierung veröffentlicht den Ent- 
wurf einer Reform des Wahlrechts. 
I. An der geheimen, direkten Verhältniswahl mit Pluralsystem, aus 
der 42 Abgeordnete hervorgehen sollen, nehmen alle Wahlberechtigten in 
geheimer Wahl durch Stimmzettel teil. Das Land wird in 42 Wahl- 
bezirke eingeteilt. Jeder amtshauptmannschaftliche Bezirk und die Bezirke 
der Städte Plauen und Zwickau bilden je einen Bezirk. In den Städten 
Dresden und Leipzig sind je fünf, in der Stadt Chemnitz drei Wahlkreise 
zu bilden. Stimmberechtigt ist jeder im Königreich Sachsen Staats- 
angehörige, der eine direkte Staatssteuer entrichtet, bei Abschluß der Wähler- 
liste das 25. Lebensjahr vollendet hat, seit mindestens sechs Monaten 
Wohnsitz oder wesentlichen Aufenthalt im Ort der Listenaufstellung hat 
und nicht nach den schon bisher gültigen Bestimmungen vom Stimmrechte 
ausgeschlossen ist. Jeder Wahlberechtigte hat mindestens eine Stimme. 
Zwei Stimmen haben alle Wahlberechtigten, die bei der staatlichen Ein- 
kommensteuer ein Einkommen von mehr als 1600 Mark versteuern, oder 
welche ihre wissenschaftliche Bildung durch Zeugnisse, die für den einjährig- 
freiwilligen Militärdienst genügen, nachweisen können, oder welche auf 
Grund ihres Grundbesitzes das Wahlrecht zum Landeskulturrat besitzen. 
Kein Wähler hat aber mehr als zwei Stimmen. Kein Wähler darf das 
Stimmrecht an mehr als einem Orte ausüben. Ebenso darf niemand in 
mehr als einem Wahlkreise kandidieren. — Ein Abgeordneter kann nur 
werden, der selbst das Wahlrecht hat, seit mindestens drei Jahren die 
sächsische Staatsangehörigkeit besitzt, eine direkte Staatssteuer von mindestens 
30 Mark jährlich entrichtet und das 30. Lebensjahr vollendet hat. Wer 
sich als Kandidat für diese direkte Wahl aufstellen läßt, muß der Ver- 
waltungsbehörde des Wahlkreises, in dem er kandidiert, bis längstens drei 
Wochen vor der Wahl eine Erklärung darüber abgeben, 1. daß er eine 
auf ihn fallende Wahl in diesem Wahlkreise annehmen wird und 2. zu 
welcher Partei er sich bekennt. — Die Wahl selbst findet geheim durch 
Stimmzettel statt. Die Ergebnisse für einen Wahlkreis werden vom Wahl- 
kommissar des Kreises zusammengestellt. Die endgültige Ermittlung des 
Wahlresultats geschieht aber durch den Landeswahlkommissar unter Berück- 
sichtigung des Proportionalwahlsystems (Verhältniswahl). Die Gesamtzahl 
aller abgegebenen gültigen Stimmen wird durch 43 geteilt und die so ge- 
sundene Zahl wird auf die nächsthöhere ganze Zahl gebracht. Diese letztere 
Zahl ist die „Wahlzahl“". Nun wird für jede einzelne Partei ausgerechnet, 
wie viel gültige Stimmen auf alle ihre Kandidaten und damit auch auf 
die Partei abgegeben worden sind und wie oft in dieser Zahl die Wahl- 
zahl enthalten ist. Sovielmal die Wahlzahl in der Gesamtzahl der Stimmen 
enthalten ist, welche für Kandidaten einer und derselben Partei abgegeben 
wurden, so viel Kandidaten dieser Partei müssen Abgeordnete werden. 
Innerhalb jeder Partei gebührt dem Kandidaten, welcher eine höhere 
Stimmenzahl erhalten hat, der Vorzug vor dem, welcher die jeweils niedrigere 
Stimmenzahl erhielt. Kommen durch dieses Verfahren etwa noch nicht 
soviel Abgeordnete, als zu wählen sind, zusammen, so entscheidet unter 
 
	        
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