Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

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indem sie nicht mehr die ganze Gesetzgebung und Verwaltung unter gegen- 
seitige Bindung stellen, wohl aber ein übereinstimmendes Vorgehen bezüglich 
jener grundsätzlichen Besteuerungsbestimmungen festsetzen, wo dies zur 
Sicherung der gleichartigen Konkurrenzverhältnisse notwendig ist. Es werden 
daher unter Bindung gestellt: Steuersysteme, Gewährung gewisser Steuer- 
begünstigungen, abgabenfreie Verwendung von Steuergegenständen zu 
industriellen und anderen Zwecken und Steuerrückvergütungen sowie 
Vergütungen bei der Ausfuhr über die Zollgrenze. Was den Verkehr 
mit Zucker anbelangt, so wurde im Zusammenhang mit der Brüsseler 
Zuckerkonvention ein Uebereinkommen getroffen, dem zufolge die viel- 
umstrittene Frage der Zuckerzuschlagssteuer im Wesen ihre praktische Be- 
deutung verliert. Zu den wichtigsten Vereinbarungen gehört die Regelung 
des Viehverkehrs, denn die österreichische Landwirtschaft ist auf das leb- 
hafteste daran interessiert, daß ihre wertvollen Viehbestände nicht durch 
Tierseuchen, welche aus den Ländern der ungarischen Krone eingeschleppt 
werden könnten, gefährdet wird. In betreff des Verkehrs mit Wein und 
des Börsenverkehrs übernimmt die ungarische Regierung die Verpflichtung, 
sich der strengeren, österreichischen Gesetzgebung anzupassen, insbesondere 
auch den Geschäftsverkehr der Budapester Börse zu reformieren, wodurch 
alle jene Geschäfte hintangehalten werden sollen, die einen unreellen Charakter, 
vor allem den von Spielgeschäften haben. Eine Neuerung von praktischem 
Belang besteht in der Vereinbarung, daß künftighin Meinungsverschieden- 
heiten über Fragen des wirtschaftlichen und finanziellen Ausgleiches, die 
nicht durch unmittelbare Verhandlungen zwischen beiden Regierungen end- 
gültig ausgetragen werden könnten, durch Schiedsspruch erledigt werden 
sollen. Zu den von der schiedsgerichtlichen Austragung ausgenommenen 
Angelegenheiten gehörten insbesondere die Fragen des Abschlusses und der 
Kündigung wirtschaftlicher Verträge mit dem Auslande, sowie alle Fragen, 
betreffend den Viehverkehr und die Veterinärpolizei. Hingegen sollen auch 
Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des in betreff der 
Blockrente abzuschließenden Uebereinkommens und außerdem Streitigkeiten 
über die Auslegung und Anwendung des ursprünglichen, 1867 abgeschlossenen 
Uebereinkommens über die Beitragsleistung der Länder der ungarischen 
Krone zu den Lasten der allgemeinen Staatsschuld in Zukunft durch 
Schiedsgericht erledigt werden. Von den das finanzielle Gebiet betreffenden 
Regierungsvorlagen kommt die hervorragendste Bedeutung dem Ueberein- 
kommen in Angelegenheiten des ungarischen Staatsschuldenblocks zu. Die 
Vereinbarung, die nun im Vergleichswege zustande kam, besteht darin, daß 
im Falle, daß die Kapitalserstattung durch Ungarn binnen zehn Jahren 
nach Konvertierung des ungarischen Blocks erfolgt, der Kapitalisierungs- 
zinsfuß 4,325 v. H. beträgt; im Falle späterer Kapitalsabstattung hat aber 
der Zinsfuß jährlich allmählich zu sinken, bis er schließlich nach weiteren 
zwölf Jahren 4,2 v. H. erreicht. Der wesentlichste Punkt des neuen Ueber- 
einkommens besteht aber darin, daß sich Ungarn nunmehr verpflichtet, 
innerhalb einer bestimmten Frist, und zwar längstens binnen 22 Jahren 
nach Konversion des ungarischen Blocks, seinen Zinsenbeitrag durch Kapitals- 
abstattung abzulösen, während bisher nur das Recht Ungarns zu dieser 
Kapitalsabstattung bestand. Eine wesentliche Ergänzung des freien wirt- 
schaftlichen Verkehrs stellt das Uebereinkommen über die Vermeidung 
von Doppelbesteuerungen der Unternehmungen, die ihren Geschäftsbetrieb 
auf beide Staatsgebiete ausdehnen und über die Regelung einiger anderer 
direkter Steuerfragen dar. Das Uebereinkommen über die Rentensteuer 
bildet nicht den Gegenstand einer besonderen Gesetzesvorlage, sondern 
soll von der Regierung auf Grund einer allgemeinen Ermächtigung des
	        
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