292 Römische Kurie. (November 19.)
und die Gesetze aufgestellt, welche für das eifrige Studium der heiligen
Schrift maßgebend sein sollen. Nachdem er den göttlichen Charakter der
Schriften gegen die Irrtümer und die Verleumdungen der Nationalisten
festgestellt, schützte er sie auch vor den falschen Lehrmeinungen, welche unter
der Flagge der höheren Kritik segeln. Diese Meinungen seien nichts
anderes wie die Erfindungen des Rationalismus, wie der Papyst sich sehr
weise ausdrückte, und aus der Philologie und den ihr verwandten Diszi-
plinen abgeleitet. Indem er aber gegen die von Tag zu Tag sich steigernde
Gefahr, welche durch die Verbreitung unüberlegter und verkehrter Mei-
nungen heraufbeschworen wurde, Vorsorge traf, hat der gleiche Vorgänger
in Unserem päpstlichen Amte in dem apostolischen Schreiben Vigilantiae
studüque memores vom 30. Oktober 1902 einen Rat oder eine Kommission
zur Bibelforschung eingesetzt, welche einige durch Wissenschaft und Klugheit
ausgezeichnete Kardinäle der heiligen römischen Kirche zählte. Diesen
wurden unter der Bezeichnung von Konsultoren, mehrere als Theologen
und Bibelkritiker in der wissenschaftlichen Welt bekannte, verschiedenen
Nationalitäten angehörige Männer geistlichen Standes beigegeben, die in
der Methode ihrer Exegese und ihrer Meinungen voneinander abwichen.
Der Papst hatte dabei den, den Studien und der Jetztzeit am meisten an-
epaßten Nutzen im Auge, daß in der Kommission die verschiedensten
einungen in voller Freiheit vorgebracht, geprüft und erörtert wurden.
Nach diesem Schreiben sollten die Purpurtiäter nichts als feststehende Lehr-
meinung verkünden, was nicht vorher, nachdem die Gründe und die Gegen-
gründe genau erwogen, klar erkannt war. Nichts sollte außer Acht ge-
lassen werden, was im Stande wäre, den wahren und reinen Stand der
über die Bibelsache aufgetauchten Fragen in ein helles Licht zu setzen.
Erst nachdem sie diesen ganzen Weg durchmessen, sollten sie ihre Ent-
scheidungen zur Genehmigung unterbreiten und sie dann veröffentlichen.
Nach langer Prüfung der Verhältnisse und sehr sorgfältigen Beratungen
sind von der päpstlichen Bibelkommission glücklich gewisse Entscheidungen
ergangen, die zur aufrichtigen Förderung der biblischen Studien und ihrer
Leitung nach sicherer Richtschnur sehr nützlich sind. Aber wir sehen, daß
es durchaus nicht an solchen fehlt, die allzusehr den von verderblichen
Neuerungen beeinflußten Meinungen und Methoden zuneigen und über-
mäßig hingerissen von Liebe zur falschen Freiheit, die durchaus eine maß-
lose Ungebundenheit ist und sich in der heiligen Doktrin als sehr gefährlich
und fruchtbar an den größten Übeln gegen die Reinheit des Glaubens
erweist, nicht mit dem gebührenden Gehorsam derartige Entscheidungen,
obwohl sie vom Papste gebilligt sind, aufgenommen haben oder aufnehmen.
Daher sehen wir uns genötigt, zu erklären und zu befehlen, wie wir denn
gegenwärtig erklären und ausdrücklich befehlen, daß alle im Gewissen ver-
pflichtet sind, den auf die Lehren bezüglichen Entscheidungen der päpstlichen
Bibelkommission, mögen sie schon ergangen sein oder später ergehen, gleich
wie den vom Papste gebilligten Dekreten der heiligen Kongregationen sich
zu unterwerfen haben und nicht dem Tadel sowohl des verweigerten Ge-
horsams wie der Verwegenheit entgehen oder schwerer von Schuld frei sein
können, so oft sie mit Wort oder Schrift solche Entscheidungen angreifen,
und zwar, weil außer dem Aergernis, das sie geben und dem sonstigen,
wegen dessen sie vor Gott schuldig sein können, dabei meist auch andere
verwegene und damit irrige Behauptungen aufgestellt werden. Indem wir
die täglich kühner auftretenden Geister mehrerer Modernisten zurückweisen,
welche durch alle Art Sophismen und Künste die Kraft und die Wirksam-
keit zu nehmen suchen, nicht allein dem Dekret Lamentabili sane exitu,
welches am 14. Juli des laufenden Jahres die heilige Römische und All-