Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

296 Schwei. (Juni 30.—3. November.) 
Der Ständerat genehmigt mit 40 Stimmen bei einer Stimment= 
haltung und der Nationalrat mit 127 Stimmen gegen 3 Stimmen bei 
6 Stimmenthaltungen die neue Militärorganisation. Die Vorlage bezweckt 
eine eingehende Reform des Wehrwesens durch gründlichere Ausbildung 
der Kadres und Truppen, durch Konzentration der Dienstzeit auf die 
jüngeren Jahrgänge, durch Verlängerung der Infanterierekrutenschule von 
45 auf 65 Tage und durch Vermehrung der Rechte und Pflichten der 
Truppenführer. Das Gesetz sieht außerdem die staatliche Fürsorge für 
bedürftige Familien von zum Dienst einberufenen Wehrmännern vor. 
30. Juni. (Genf.) Eine Volksabstimmung genehmigt mit 
7656 gegen 6822 Stimmen die Trennung von Kirche und Staat 
in Genf. 
3. November. Eine Volksabstimmung genehmigt mit 326102 
gegen 264183 Stimmen das neue Wehrgesetz. — Die „Germania" 
schildert das neue Gesetz: 
Das neue Gesetz, welches seinerzeit in den eidgenössischen Räten 
beinahe einstimmig gutgeheißen wurde und an Stelle der zur Stunde noch 
eltenden Militärorganisation von 1874 treten soll, verfolgt einen drei- 
sachen Zweck. Einmal verlängert es die erste Ausbildungszeit des Wehr- 
mannes und verlegt den Dienst auf die jüngeren Jahrgänge der Dienst- 
pflichtigen. Sodann schafft es die Grundlagen zu einer besseren Ausbildung 
der Offiziere. Endlich, indem es die Kompetenzen der höheren Truppen- 
führer vermehrt, ermöglicht es diesen, einen entscheidenden Einfluß auf die 
Ausbildung der ihnen unterstellten Einheiten auszuüben und unabhängig 
von der obersten Militärverwaltungsbehörde zu handeln. Auch die neue 
Organisation ist von den Einrichtungen, wie sie in den Nachbarländern 
der Schweiz bestehen, noch sehr weit entfernt, die Militärorganisation von 
1874 war längst veraltet; sie beruhte aber auf einem Artikel der Bundes- 
verfassung und konnte daher nur durch eine Aenderung der Verfassung 
beseitigt werden. Eine solche wurde aber im Jahre 1895 durch eine 
Volksabstimmung mit 264 615 gegen 193575 Stimmen abgelehnt. Man 
ist nun auf einem anderen Weg zum Ziel gelangt, indem man ein neues 
Bundesgesetz über die Militärorganisation geschaffen und darüber in einer 
Volksabstimmung hat abstimmen lassen. Die Annahme des neuen Gesetzes 
bedingt wenigstens einige Besserungen im Heereswesen. Die Rekruten- 
schule für Infanterie und Pioniere beträgt jetzt 65 Tage, für Artillerie 75, 
für Kavallerie 90 Tage. JFortan finden alljährliche Wiederholungskurse 
statt. Mehrleistungen verlangt die neue Militärorganisation namentlich 
auch von den Offizieren. Sodann wurde die Einteilung vereinfacht, der 
Auszug umfaßt das 20. bis 32. Altersjahr, die Landwehr das 33. bis 40., 
der Landsturm das 41. bis 48. Die neue Militärorganisation soll dem 
Zwecke dienen, die Schweiz im Falle der Verletzung ihrer durch die Wiener 
Verträge vom Jahre 1815 garantierten Neutralität auch zu einer nach- 
drücklichen Zurückweisung der fremden Uebergriffe mit Hilfe ihrer Truppen 
zu befähigen. Sie ist indessen zur Erreichung dieses Zweckes ebensowenig 
unzureichend, wie die alte Organisation, denn die dadurch erzielte Besserung 
fällt nur sehr wenig in die Wagschale.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.