Tũrkei. (Juli — Dezember.) 337
Juli. Die Pforte verbietet ihren Untertanen nach Egypten
zu reisen, angeblich, weil dort ein Komplott gegen den Sultan ge-
schmiedet würde.
Ende Juli. Die Pforte erhebt in einer scharfen Note an
Griechenland Beschwerde, daß griechische Banden unter Führung
griechischer Offiziere in Makedonien eindringen.
15. September. Die Pforte teilt den Mächten folgendes Reform-
programm für Makedonien mit:
1. Ernennung von je 2 Justizinspektoren — ein Christ und ein
Mohammedaner — in den Provinzen Saloniki, Uesküb und Monastir
durch den Sultan auf Vorschlag des Justizministers, 2. Aufhebung der
Ausnahmegerichtshöfe, 3. Vermehrung des Justizpersonals, 4. Unabhängigere
Stellung der Appellhofpräsidenten, 5. Ausübung der Friedensgerichtsbarkeit
auch durch die Amtsgerichte, 6. Schnelle Vollstreckung der Urteile, 7.
Gründung einer Rechtsschule in Saloniki.
Oktober. Die Pforte mobilisiert die Redifs der Jahresklassen
1871, 1872, 1873, um sie im nördlichen Kleinasien gegen Persien
zu verwenden. — Nach Zeitungsnachrichten führt das zu einer
Spannung mit Rußland.
Ende Oktober November. (Makedonien.) Bandenwesen.
Beschwerde.
Bulgarische und griechische Banden verüben fortgesetzt Greueltaten.
Die Pforte richtet wegen der zahlreichen von bulgarischen Banden in
Makedonien gegen Mohammedaner verübten Morde ein Rundschreiben an
ihre Vertretungen im Auslande. Darin werden diese ersucht, die euro-
päischen Kabinette auf die Erregung des mohammedanischen Elements durch
solche Greueltaten und auf mögliche Repressalien hinzuweisen und die
Mächte zu veranlassen, in Sofia dahin vorstellig zu werden, daß die bul-
garische Regierung eine Unterstützung der Banden vermeidet.
Dezember. (Konstantinopel.) Verhandlungen über die
makedonischen Reformen.
Am 15. Dezember verlangte eine Kollektivnote der Mächte, daß die
Mandate der europäischen Reformorgane unter Aufrechterhaltung des
status quo um 7 Jahre verlängert werden. — Die Pforte schlägt zu gleicher
Zeit vor, daß sich die Pforte, um einen neuen Beweis ihres guten Willens
zu geben und um ihre Rechte zu wahren, verpflichtet, die Zivilagenten
und Finanzdelegierten nach Ablauf ihrer Mandate mit ihren gegenwärtigen
Befugnissen in ihre Dienste zu nehmen und gleich den fremden Gendarmerie-
offizieren selbst zu bezahlen. Die Pforte, die ihre versöhnlichen Gefühle
und den Wunsch nach Aufrechterhaltung der Eintracht mit den befreundeten
Mächten bezüglich des Reformwerkes bewiesen habe, sei überzeugt, daß ihre
Initiative Anerkennung finden, und daß die genannten Funktionäre auf
diese Weise ihre Aufgaben mit noch größerem Erfolge erfüllen würden. —
Die Botschafter beharren auf ihrer Forderung (23. Dez.).
Européischer Geschichtskalender. XLVII. 22