Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Denische Reich und seine einfelnen Glieder. (März 8.) 89 
ziehungen der Reichspostverwaltung zur südamerikanischen Telegraphen- 
gesellschaft. Nach diesem Artikel hat das Reich eine Garantie für die Ver- 
zinsung und Tilgung von Obligationen dieser Gesellschaft übernommen. 
Die Uebernahme einer solchen Garantie ist ungesetzlich, verfassungswidrig 
und beeinträchtigt das Budgetrecht des Reichstags. Weiter hat die Post- 
verwaltung mit bestimmten Gesellschaften Pauschquanten für die Beförde- 
rung von Briefen usw. vereinbart, die bis 1933, ja 1948 laufen. Solche 
Verträge suche die Verwaltung dem Reichstag zur Genehmigung zu unter- 
breiten, analog der Dampfersubventionsvorlage. Die Postverwaltung darf 
solche Verträge nicht eigenmächtig abschließen, handelt es sich doch meist 
um Summen, die in die Hunderttausende gehen. Bei der Verabschiedung 
des Telefunkengesetzes hat die Reichspostverwaltung die Erklärung ab- 
gegeben, daß sie den verschiedenen Telefunkensystemen neutral gegenüber- 
stehe. Diese Erklärung schließt aber nicht aus, daß auf deutschen Schiffen 
möglichst deutsche Systeme zur Verwendung kommen. Statt dessen sehen 
wir, daß man auf deutschen Schiffen die englische Marconigesellschaft unter- 
stützt, während auswärtige Heere und Marinen die vorzüglichen deutschen 
Apparate verwenden. (Hört, hörtl!) Die Reichspostverwaltung zahlt für 
die Beförderung von Briefen nach überseeischen Ländern an die Schiffahrts- 
gesellschaften mehr als Amerika für die Beförderung von Briefen nach 
Deutschland. Das braucht doch in der Zeit der Finanznot nicht der Fall 
zu sein. Unter diesen Titel fallen eine Reihe Postdampfersubventionen, 
die z. B. für den Verkehr zwischen Schanghai und Kiautschou über 300000 
Mark kosten. Weshalb macht die Verwaltung für diese Summe nicht 
dem Reichstag eine besondere Vorlage, wie sie es bei der Verbindung mit 
der Neuguinea-Gesellschaft getan hat? 
Staatssekretär Kraetke: Von einer Garantie-Uebernahme des 
Reichs für die südamerikanische Telegraphengesellschaft kann keine Rede 
sein. Wir haben lediglich mit der Gesellschaft einen Vertrag abgeschlossen, 
nach dem wir eine bestimmte Vergütung gewähren. Diese Vergütung wird 
teilweise bei der Seehandlung deponiert und sichert so den Obligationen 
der Gesellschaft die Auszahlung der Zinsen. Der Vergleich mit den 
Dampfersubventionen stimmt nicht. Verträge mit Schiffsgesellschaften über 
Beförderung von Briefen sind von der Postverwaltung seit jeher abge- 
schlossen worden. Nur solche Verträge werden dem Reichstag vorgelegt, 
bei denen es sich über die Briefbeförderung hinaus um wichtige Verkehrs- 
oder handelspolitische Interessen handelt. Wenn Amerika an die deutschen 
Dampfer für die Briefbeförderung nach Deutschland weniger bezahlt als 
Deutschland für die Beförderung nach Amerika, so liegt das daran, daß 
die deutschen Gesellschaften sich in Amerika einfach fügen müssen, sonst 
überträgt Amerika die Beförderung an Frankreich oder England. Es hat 
ja die Auswahl. Man kann uns nicht vorwerfen, daß wir die Interessen 
der deutschen Telefunkengesellschaften nicht wahren; von uns erst ist die 
Anregung gegen die Monopolisierung einer fremden Gesellschaft ausge- 
gangen. Der internationale Vertrag besagt, daß alle Funkensysteme freie 
Bahn haben. Man muß unterscheiden zwischen Land- und Ortstationen, 
Landstationen an der Küste für den Verkehr mit den Schiffen. Nun hat 
England, das durch seine vorzügliche Lage am Kanal in dieser Beziehung 
ganz besonders begünstigt ist, von Anfang an viele Marconistationen ein- 
gerichtet, und da kann man es den deutschen Gesellschaften nicht verdenken, 
wenn sie, um ihren Passagieren dasselbe zu bieten wie die englischen und 
französischen Schiffe, auch Marconiapparate an Bord einrichteten. Die 
alten Verträge müssen natürlich erst ablaufen. Unser Funkentelegraphen- 
system befindet sich an Bord von sehr vielen Dampfern, besonders auf der
	        
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