Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Denise Reich uud seine einfelnen Glieder. (März 8. 11.) 91 
Staatssekretär Kraetke: Wir würden eine Dampferlinie erst 
gründen müssen, die uns die Post dorthin bringt, von wo die fremden 
Dampfer abgehen. Gewiß wollen wir allmählich dahin kommen, daß die 
Gebühren ermäßigt werden, aber in Zeiten, wo es den Gesellschaften selbst 
schlecht geht, kann man das nicht. 
Gothein (frs. Vgg.): Ich kann darin dem Staatssekretär nur 
recht geben. Der Vorschlag Erzbergers würde zur Folge haben, daß 
die deutsche Post nach Amerika langsamer läuft. Das würde unsere 
kaufmännischen und industriellen Interessen schwer schädigen. Es liegt 
eine Depesche vor, wonach auch die Hamburg-Amerika-Linie vorschlägt, 
in diesem Jahre keine Dividende zu zahlen. Gewiß wird man sehen 
müssen, die Sätze herabzusetzen, aber erst wenn die Zeit gekommen ist. 
Erzberger (Ztr.): Einen Boykott habe ich nicht vorgeschlagen. 
Aber aus den Worten des Staatssekretärs ging hervor, daß es sich hier 
um eine versteckte Liebesgabe an die Schiffahrtsgesellschaften handelt. 
Damit schließt die Debatte. Der Antrag Gothein auf Rückverweis 
des Titels an die Budgetkommission wird angenommen. 
8. März. Bankgesetznovelle. 
Die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin haben den Entwurf 
einer Bankgesetznovelle von einer Kommission beraten lassen. Diese er- 
klärte sich mit den Grundzügen des Entwurfs im wesentlichen einverstanden; 
insbesondere billigte sie die Wiedereröffnung des Reservefonds, die Er- 
höhung des steuerfreien Notenkontingents, die Erklärung der Reichsbank- 
noten zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel, den Ankauf von Schecks durch 
die Reichsbank, die Erweiterung des Kreises der lombardfähigen Papiere 
und die Beleihung von Eintragungen in das Staatsschuldbuch. Im 
einzelnen jedoch äußerte die Kommission eine Reihe von Bedenken und 
Abänderungswünschen. Insbesondere erschien es ihr unbillig, daß die Zu- 
wendungen, die aus dem Reste des Reingewinns an den Reservefonds 
eemacht werden müssen, zur Hälfte von den Anteilseignern getragen werden 
selen, obwohl diesen nur ein Viertel des Restgewinnes zufließt. Die 
Kommission erklärte es ferner für wünschenswert, daß in den Wochen- 
ausweisen der Reichsbank das Verhältnis der umlaufenden Noten zur 
Bardeckung in einer Prozentzahl angegeben wird. Sie wünschte ferner 
eine gesetzliche Bestimmung, wonach Silber nur bis zu einem Viertel des 
gesamten Edelmetallvorrats als Bardeckung der Noten gelten soll. Ganz 
besondere Aufmerksamkeit werde der Frage zu schenken sein, wie „Schecks 
zur Verrechnung“ beim Ankauf durch die Reichsbank zu behandeln sind. 
Die Frage, ob die Bestimmungen über den Erwerb von Pfandrechten 
durch die Reichsbank mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen vereinbar sind, 
wurde noch einer Prüfung vorbehalten. 
11. März. Zur Beurteilung der serbischen Note vom 10. März 
gibt die „Kölnische Zeitung“ folgende Erläuterungen: 
Man kann nach den Meldungen, die in den letzten Tagen ein- 
liefen und unwidersprochen geblieben sind, annehmen daß diese Note 
mindestens im Einverständnis mit Herrn Iswolski, wenn nicht nach 
seiner Formulierung, ergangen ist, und steht damit vor der Tatsache, daß 
Rußland die von uns am 5. März angekündigte serbische Schwenkung 
mindestens billigt, durch die an die Selle des Königreichs in seinem Hader 
mit Oesterreich-Ungarn das europäische Konzert und damit die geplante 
Konferenz geschoben werden soll. Allrdings sagt die Note am Schluß, 
Serbien verlange bei diesem Anlaß von Oesterreich-Ungarn keine Ent-
	        
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