110 Des Pentsthhe Reith und seine einelnen Glieder. (März 24. 26.)
der Nationalliberalen Bassermann im Reichstag aufgesucht und ihm
folgendes mitgeteilt: Er hätte den offiziellen Auftrag, ihm im Namen der
konservativen Fraktion zu erklären, daß die konservative Fraktion von der
Notwendigkeit durchdrungen sei, die Reichsfinanzreform unter allen Um-
ständen zu machen, gleichviel mit welcher Mehrheit. Sie wären bereit,
etwa 400 Millionen indirekte Steuern zu bewilligen und würden keine
Besitzsteuer akzeptieren, die in die Finanzhoheit der Einzelstaaten eingriffe
(also mit andern Worten: sie würden überhaupt keine Besitzsteuer akzeptieren
und das Kompromiß kündigen). Sie würden den etwa fehlenden Betrag
durch Matrikularbeiträge aufbringen. Unter gar keinen Umständen würden
sie die Nachlaß- oder Erbschaftssteuer bewilligen. Auf die Frage, ob dies
eine Kündigung des Blocks zu bedeuten hätte, meinte Herr v. Normann,
für nationale Zwecke könnte der Block ja noch bestehen bleiben, und er
fügte hinzu, daß er die gleiche Erklärung den Freisinnigen und dem
Zentrum übermittelt hätte. Daraufhin hat die nationalliberale Reichstags-
fraktion sofort getagt. Sie erklärt: Wir schieben die Verantwortung für
diese Kündigung in vollem Maße den Konservativen zu, da wir keinerlei
Veranlassung zu einem solchen Verhalten gegeben haben. Wir werden
unser Verhalten gegenüber der Finanzreform der veränderten Sachlage
gemäß einrichten. Getreu den Grundsätzen, die wir überhaupt für unsere
Stellungnahme der Finanzreform gegenüber von Anfang an eingenommen
haben, werden wir keine Finanzreform bewilligen, die nicht neben der
Belastung des Massenkonsums eine nach unserer Ueberzeugung ausreichende
Belastung des Besitzes mit sich bringen wird.
24. März. Zur Reichsfinanzreform. Eine große An-
zahl angesehener Männer des gesamten Reichs richtet an den Reichs-
tag eine Mahnung, er möge doch endlich zu einer Einigung mit
den Regierungen über die Finanzreform gelangen. Als bestes Mittel
dazu bezeichnen sie die Vereinigung einer Besitzsteuer, deren beste
Form in Abgaben beim Erbübergange zu erblicken ist, mit einer
Heranziehung der Massengenußmittel.
25. März. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ bringt
folgende Erklärung:
„Die Presse ergeht sich in Vermutungen über die Stellung der ver-
bündeten Regierungen zu den die Reichsfinanzreform betreffenden Be-
schlüssen der Reichstagskommission. Hierzu bemerken wir folgendes: Die
Regierungen halten daran fest, daß der Bedarf an neuen Einnahmen nicht
nur durch die Besteuerung von Genußmitteln, die dem Massenverbrauch
unterliegen, sondern auch durch eine allgemeine Belastung des Besitzes
aufgebracht werde. Sie lehnen es ab, diese Besitzbelastung in der Haupt-
sache durch Matrikularbeiträge oder sonst in einer Weise geschehen zu
lassen, welche die für die eigenen Aufgaben der Bundesstaaten unentbehr-
lichen Steuerquellen (Einkommensteuer, Vermögenssteuer) angreift. In
der Erweiterung der Erbschaftssteuer erblicken sie nach wie vor die zweck-
mäßigste Form der Besitzbelastung. Sie vertrauen darauf, daß es ge-
lingen wird, auf der Grundlage ihres Programms in gemeinsamer Arbeit
mit dem Reichstage der Finanznot des Reiches ohne Zeitverlust Abhilfe
zu schaffen."
25. März. Zur Reichsfinanzreform schreibt die „National-
liberale Korrespondenz“ in einem Artikel „Zur Lage“ u. a.: